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Dolores

Dolores

Titel: Dolores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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tatsächlich ein bißchen schlecht, also ging ich zum Tisch und setzte mich, meine Knie waren so weich, daß ich beinahe auf den Stuhl plumpste. Ich sah zu, wie sie mir ein Glas Wasser holte und dachte an etwas, das sie im letzten November gesagt hatte - daß sogar jemand, der so schwach im Rechnen war wie sie, auf dem Kalender neun Monate zurückzählen und die richtigen Schlüsse ziehen konnte. Nun, sogar jemand, der so schwach im Rechnen war wie ich, konnte dreihundertfünfzig auf dem Hoteldach und vierhundert weitere auf der Island Princess zusammenzählen und auf eine Summe von siebenhundertfünfzig kommen. Das waren nicht alle Leute, die Mitte Juli auf der Insel sein würden, aber es war weiß Gott ein gewaltiger Teil davon. Ich konnte mir vorstellen, daß die übrigen entweder draußen sein und ihre Netze einholen oder die Sonnenfinsternis vom Strand oder vom Anleger aus beobachten würden…
    Vera brachte mir das Wasser, und ich trank es in einem Zug. Sie setzte sich mir gegenüber und schien besorgt zu sein. »Ist alles in Ordnung, Dolores?« fragte sie. »Müssen Sie sich hinlegen?«
    »Nein«, sagte ich. »Mir war nur ein paar Sekunden lang ein bißchen flau.«
    Und mir war tatsächlich flau geworden. Plötzlich zu wissen, an welchem Tag man seinen Mann umzubringen gedenkt, ist wohl etwas, bei dem einem Menschen flau werden kann.
    Drei Stunden später, nachdem ich die Wäsche aufgehängt, die Einkäufe erledigt und weggepackt, die Teppiche gesaugt und einen kleinen Auflauf für ihr einsames Abendessen in den Kühlschrank gestellt hatte, packte ich meine Sachen zusammen und wollte mich auf den Heimweg machen. Vera saß am Küchentisch und löste das Kreuzworträtsel in der Zeitung.
    »Überlegen Sie sich, ob Sie am 20. Juli mit uns auf das Schiff kommen wollen«, sagte sie. »Glauben Sie mir, draußen auf dem Wasser wird es bestimmt viel angenehmer sein als auf diesem heißen Dach.« »Danke, Vera«, sagte ich, »aber wenn ich an dem Tag frei habe, werde ich wohl nirgendwo hingehen, sondern einfach zu Hause bleiben.«
    »Wären Sie gekränkt, wenn ich sagen würde, daß sich das ziemlich stumpfsinnig anhört?« fragte sie und sah zu mir auf.
    Wann hätte es dich je gekümmert, ob du mich oder sonst jemanden kränkst, du hochnäsiges Biest? dachte ich, aber das sagte ich natürlich nicht. Und außerdem hatte sie wirklich besorgt ausgesehen, als sie gedacht hatte, ich könnte ohnmächtig werden, obwohl der Grund dafür gewesen sein mochte, daß sie fürchtete, ich könnte auf der Nase landen und ihren Küchenfußboden vollbluten, den ich gerade am Tag zuvor gebohnert hatte.
    »Nein«, sagte ich. »So bin ich nun einmal, Vera - ziemlich stumpfsinnig.«
    Da warf sie mir einen seltsamen Blick zu. »Wirklich?« sagte sie. »Manchmal finde ich das auch - und manchmal bin ich da nicht so sicher.«
    Ich sagte auf Wiedersehen und machte mich auf den Heimweg, wobei ich mir die Idee durch den Kopf gehen ließ und nach Löchern suchte. Ich fand keine - nur Vielleichts, und Vielleichts gehören schließlich zum Leben. Pech kann man immer haben, aber wenn sich die Leute deshalb zu viel Gedanken machen würden, dann würde nie etwas getan werden. Außerdem, dachte ich, wenn irgendetwas schief läuft, kann ich jederzeit die Finger davon lassen, und zwar fast bis zur letzten Minute. 
    Der Mai ging vorüber, der Memorial Day kam und ging, und die Schulferien fingen an. Ich stellte mich darauf ein, Selena davon abzubringen, wenn sie zu mir kam und ich ihr erlauben sollte, im Harborside zu arbeiten, aber noch bevor wir unsere erste Auseinandersetzung hatten, passierte etwas Wunderbares. Reverend Huff, der damals der Methodisten-Geistliche war, kam zu uns, um mit Joe und mir zu reden. Er sagte, im Camp der Methodistenkirche in Winthrop würden als Aufseherinnen zwei Mädchen gebraucht, die gut schwimmen konnten. Nun, sowohl Selena als auch Tanya Caron konnten schwimmen wie die Fische, Huffy wußte das, und um eine lange Geschichte wenigstens ein bißchen kürzer zu machen - in der Woche nach dem Ferienbeginn brachten Gertrude Caron und ich unsere Töchter zur Fähre, sie winkten vom Deck und wir winkten vom Anleger, und wir alle vier weinten völlig grundlos. Selena trug auf dieser Reise ein hübsches rosa Kostüm, und damals sah ich zum ersten Mal die Frau, die aus ihr werden würde. Es hat mir fast das Herz gebrochen und tut es noch immer. Hat einer von euch ein Papiertaschentuch?
    Danke Nancy. Also, wo war ich stehen

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