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Dolores

Dolores

Titel: Dolores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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renoviert (der Gedanke, daß Jimmy Gagnon und Harley Fox irgendetwas »renovieren«, ist ein ziemlicher Witz, wenn man’s genau bedenkt), und sie rechneten damit, daß sie dreihundertfünfzig besondere »FinsternisEintrittskarten« verkaufen würden. Die Sommergäste sollten Vorrang haben vor den Einheimischen; der Preis war im Grunde zivil - zwei Dollar pro Person -, aber sie rechneten natürlich damit, daß sie Essen servieren und eine Bar aufstellen würden, und das sind die Dinge, mit denen die Hotels immer ihren Profit gemacht haben. Besonders die Bar.
    Ich war immer noch dabei, den Artikel zu lesen, als Vera hereinkam. Ich hörte sie nicht, und als sie sprach, ging ich ungefähr einen halben Meter hoch in die Luft.
    »Nun, Dolores«, sagte sie, »was ziehen Sie vor? Das Dach des Harborside oder die Island Princess?«  
    »Was ist mit der Island Princess?« fragte ich.
    »Ich habe sie für den Nachmittag der Finsternis gechartert«, sagte sie.
    »Soll das ein Witz sein?« fragte ich, aber eine Sukunde, nachdem es heraus war, wußte ich, daß es kein Witz war; es war nicht Veras Art, dummes Zeug zu reden oder aufzuschneiden. Trotzdem, der Gedanke, daß sie eine Fähre von der Größe der Princess gechartert hatte, ließ mir den Atem stocken.
    »Ich habe es getan«, sagte sie. »Es kostet mich einen Arm und ein Bein, Dolores, und das meiste geht für die Ersatzfähre drauf, die an diesem Tag auf der regulären Route der Princess verkehrt, aber ich habe es wirklich getan. Und wenn Sie an meinem Ausflug teilnehmen, dann fahren Sie umsonst, und alle Drinks sind kostenlos.« Und dann sagte sie, indem sie mich irgendwie unter den Augenlidern hervor anschaute: »Das letztere dürfte Ihren Mann doch besonders reizen, meinen Sie nicht auch, Dolores?«
    »Großer Gott«, sagte ich, »warum haben Sie diese verdammte Fähre gechartert, Vera?« Ihr Vorname hörte sich, wenn er aus meinem Mund kam, immer noch merkwürdig an, aber sie hatte mir unmißverständlich klargemacht, daß es ihr ernst damit war - sie ließ es nicht zu, daß ich zu Mrs. Donovan zurückkehrte, selbst wenn ich es gewollt hätte. »Ich meine, ich weiß, wie Sie sich auf die Sonnenfinsternis freuen und all das, aber Sie hätten doch in Vinalhaven ein fast ebensogroßes Ausflugsboot mieten können, und wahrscheinlich zum halben Preis.« 
    Sie zuckte mit den Achseln und warf gleichzeitig ihr langes Haar zurück. »Ich habe sie gechartert, weil ich diese mollige alte Hure liebe«, sagte sie. »Little Tall Island ist für mich der schönste Ort auf der Welt, Dolores haben Sie das gewußt?«
    Ich wußte es in der Tat, also nickte ich.
    »Natürlich haben Sie es gewußt. Und fast immer war es die Princess, die mich hergebracht hat - die komische, watschelnde alte Princess. Man hat mir gesagt, daß vierhundert Leute bequem darauf Platz haben, fünfzig mehr als auf dem Hoteldach, und ich werde jeden mitnehmen, der mit mir und den Kindern fahren will.« Dann lächelte sie, und dieses Lächeln war echt; es war das Lächeln einer Frau, die sich einfach darüber freut, daß sie am Leben ist. »Und wissen Sie noch was, Dolores?« fragte sie mich.
    »Nein«, sagte ich. »Ich weiß gar nichts mehr.«
    »Sie brauchen sich gar nicht besonders anzustrengen, um eine Eintrittskarte für meine.. .« Dann hörte sie plötzlich auf zu sprechen und musterte mich mit einem ganz merkwürdigen Blick. »Dolores? Fehlt Ihnen was?« Aber ich konnte nichts sagen. Vor meinem inneren Auge war das grauenhafteste, das wundervollste Bild erschienen. Es zeigte mir das große Flachdach des Harborside Hotels, angefüllt mit Leuten, die rumstanden wie bei einer Cocktailparty, nur daß sie alle den Kopf in den Nacken gelegt hatten, und es zeigte mir die Island Princess, die in der Mitte zwischen dem Festland und der Insel auf dem Wasser lag, gleichfalls angefüllt mit Leuten, die hochschauten, und über alledem hing eine große, schwarze, von Feuer umgebene Scheibe an einem Himmel, an dem am Tag die Sterne funkelten. Es war ein gespenstisches Bild, bei dem einem Toten die Haare zu Berge gestanden hätten, aber das war es nicht, was mir so einen Schlag in die Magengrube versetzt hatte. Das hatte der Gedanke an den Rest der Insel getan. 
    »Dolores?« fragte sie und legte mir eine Hand auf die Schulter. »Was ist? Haben Sie einen Krampf? Ist Ihnen schlecht? Kommen Sie, setzen Sie sich an den Tisch. Ich hole Ihnen ein Glas Wasser.«
    Ich hatte keinen Krampf, aber ganz plötzlich war mir

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