Dolores
fröhlicher gewesen wäre. Ich weiß, daß das bei manchen Männern so ist, aber Joe gehörte nicht zu ihnen. Beim Trinken kam die Frau in ihm zum Vorschein, und was die Frau in Joe angeht, so war es immer ungefähr zwei Tage vor einer ganz starken Periode.
Doch als der große Tag näherkam, war es eine Erleichterung, Veras Haus verlassen zu können, auch wenn es nur ein betrunkener, übelriechender Ehemann war, zu dem ich zurückkehrte. Den ganzen Juni über war sie voll beschäftigt gewesen, hatte über dieses und jenes geredet, immer wieder ihre Gerätschaften für die Sonnenfinsternis überprüft und Leute angerufen - in der letzten Juniwoche muß sie die Firma, die für ihre Party auf der Fähre die Speisen und Getränke lieferte, jeden Tag mindestens zweimal angerufen haben, und die war nur ein Punkt auf ihrer Tagesliste.
Im Juni hatte ich sechs Mädchen unter mir und acht nach dem vierten Juli; es war die größte Zahl von Hilfskräften, die Vera je hatte, sowohl vor als auch nach dem Tod ihres Mannes. Das Haus wurde vom Keller bis zum Dachboden geschrubbt - geschrubbt, bis es glänzte -, und jedes Bett wurde bezogen. Wir stellten sogar zusätzliche Betten auf der Sonnenterrasse und auf der Veranda im Obergeschoß auf. Sie rechnete für das Wochenende der Sonnenfinsternis mit mindestens einem Dutzend, vielleicht sogar an die zwanzig Schlafgästen. Der Tag hatte für sie nicht genug Stunden, und sie sauste herum wie Moses auf einem Motorrad, aber sie war glücklich.
Doch dann, ungefähr um die Zeit, als ich die Jungen auf den Weg zu ihrer Tante Alicia und ihrem Onkel Jack brachte - das heißt, so um den zehnten oder elften Juli herum und immer noch mehr als eine Woche vor der Sonnenfinsternis -, brach ihre gute Laune zusammen. Aber Zusammenbrechen ist nicht das richtige Wort. Sie zerplatzte wie ein Luftballon, den man mit einer Nadel angestochen hat. Den einen Tag sauste sie herum wie ein Düsenflugzeug; am nächsten waren ihre Mundwinkel so tief herabgezogen, daß sie beinahe darauf trat, und in ihren Augen lag dieser gemeine, gequälte Ausdruck, den ich so oft gesehen hatte, seit sie dazu übergegangen war, so viel Zeit allein auf der Insel zu verbringen. An diesem Tag feuerte sie zwei Mädchen, eines, weil es sich zum Putzen der Fenster im Wohnzimmer auf ein Fußpolster gestellt hatte, und das andere, weil es in der Küche mit einem der Lieferanten gelacht hatte. Diese zweite Sache war besonders unerfreulich, weil das Mädchen anfing zu weinen. Sie sagte Vera, sie wäre mit dem jungen Mann zusammen zur High School gegangen und hätte ihn seither nicht mehr gesehen, und sie hätte mit ihm nur ein wenig über die alten Zeiten geredet. Sie sagte, es täte ihr leid, und bat, sie nicht zu entlassen - ihre Mutter würde ihr die Hölle heiß machen, wenn das passierte.
Das machte auf Vera nicht den geringsten Eindruck. »Betrachten Sie es von der erfreulichen Seite, meine Liebe«, sagte sie mit ihrer niederträchtigsten Stimme. »Ihre Mutter wird vielleicht wütend sein, aber nun haben Sie massenhaft Zeit, über all den Spaß zu reden, den Sie auf der guten alten Jonesport High hatten.«
Das Mädchen - es war Sandra Mulcahey - ging die Auffahrt hinunter, ließ den Kopf hängen und schluchzte zum Steinerweichen. Vera stand in der Diele, ein wenig vorgebeugt, damit sie ihr durch das Fenster in der Haustür nachsehen konnte. Mich juckte der Fuß, und ich hätte ihr am liebsten einen Tritt in den Hintern versetzt, während sie so dastand - aber sie tat mir gleichzeitig ein bißchen leid. Ich konnte mir gut vorstellen, was an diesem Stimmungsumschwung schuld war - und wenig später wußte ich es mit Sicherheit. Ihre Kinder würden nun doch nicht kommen, um zusammen mit ihr die Sonnenfinsternis zu betrachten, ob sie nun die Fähre gechartert hatte oder nicht. Vielleicht lag es nur daran, daß sie sich einfach etwas anderes vorgenommen hatten, wie junge Leute es oft tun, ohne einen Gedanken an das zu verschwenden, was ihre Eltern vielleicht empfinden mögen, aber ich vermutete eher, daß das, was zwischen ihnen und ihr schiefging, immer noch schief war.
Veras Stimmung besserte sich, als am sechzehnten oder siebzehnten die ersten ihrer anderen Gäste eintrafen, aber ich war trotzdem jeden Tag froh, wenn ich ihr Haus verlassen konnte; und am Donnerstag dem achtzehnten feuerte sie wieder ein Mädchen - das war Karen Jolander. Ihr schweres Verbrechen war, daß sie einen Teller fallen ließ, der sowieso schon einen
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