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Dolores

Dolores

Titel: Dolores Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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beizubehalten. Es dauerte nicht lange, bis er in Gelächter ausbrach wie ein kleiner Junge, der von einer Lehrerin gescholten wird, vor der er nicht die geringste Angst hat. Er lachte so heftig, daß er eine silbrige kleine Wolke aus Spucke vor seinem Mund in die Luft spritzte.
    »Tut mir leid, Dolores«, sagte er, als er wieder dazu imstande war. »Ich wollte nicht lachen, aber da habe ich dir hübsch eins versetzt, stimmt’s?«
    »Ja, das hast du«, pflichtete ich ihm bei. Schließlich war es nichts als die pure Wahrheit.
    »Hab dich gründlich reingelegt«, sagte er und lachte dabei und schüttelte den Kopf, wie man es tut, wenn jemand einen tollen Witz erzählt.
    »Ja«, pflichtete ich ihm abermals bei, »aber du weißt doch, was man so sagt.«
    »Nein«, sagte er. Er ließ den Finsternisbetrachter in seinen Schoß fallen und drehte den Kopf, um mich anzusehen. Er hatte so heftig gelacht, daß in seinen blutunterlaufenen kleinen Schweinsaugen Tränen standen. »Du bist es, die für alles und jedes eine Redensart hat. Was sagt man über Männer, die ihren Frauen, die ihre Nase in alles stecken müssen, endlich einmal eins ausgewischt haben?«
    »Leg mich einmal rein, Schande für dich, leg mich zweimal rein, Schande für mich«, sagte ich. »Du hast mich mit Selena reingelegt, und dann hast du mich mit dem Geld reingelegt, aber ich glaube, jetzt habe ich endlich mit dir gleichgezogen.«
    »Vielleicht hast du das, vielleicht auch nicht«, sagte er, »aber wenn du dir Sorgen machst, daß ich es ausgegeben haben könnte, dann kannst du damit aufhören, weil…«
    Da unterbrach ich ihn. »Ich mache mir keine Sorgen«, sagte ich. »Das habe ich dir schon einmal gesagt. Ich mache mir nicht die geringsten Sorgen.«
    Da warf er mir einen harten Blick zu, und sein Lächeln trocknete aus. »Du hast wieder diesen gerissenen Ausdruck im Gesicht«, sagte er, »diesen Ausdruck, den ich nicht ausstehen kann.«
    »Ach, wirklich?« sagte ich.
    Er schaute mich lange Zeit an, versuchte herauszufinden, was in meinem Kopf vorging, aber wahrscheinlich blieb es für ihn das Geheimnis, das es immer gewesen war. Er schob wieder die Unterlippe vor und seufzte so tief, daß er die Haarsträhne zurückblies, die ihm in die Stirn gefallen war.
    »Die meisten Frauen haben von Geld keine Ahnung, Dolores«, sagte er, »und du bist keine Ausnahme von der Regel. Ich habe alles zusammen auf ein Konto gelegt, das ist alles - so bringt es mehr Zinsen. Ich habe dir nichts davon erzählt, weil ich keine Lust hatte, mir dein dummes Geschwätz anzuhören. Und jetzt habe ich mir doch etwas davon anhören müssen, wie gewöhnlich. Aber nun reicht es.« Dann nahm er den Finsternisbetrachter wieder in die Hand, um mir zu bedeuten, daß das Thema erledigt war. 
    »Ein Konto auf deinen Namen«, sagte ich.
    »Na und?« fragte er. Inzwischen war es so, als säße man in der späten Abenddämmerung, und die Bäume hatten begonnen, vor dem Horizont zu verschwimmen. Ich konnte hören, wie irgendwo hinter dem Haus ein Ziegenmelker sang und irgendwo anders eine Nachtschwalbe. Außerdem war mir, als wäre es kühler geworden. Das alles flößte mir ein ganz eigenartiges Gefühl ein - ungefähr so, als lebte man in einem Traum, der irgendwie Wirklichkeit geworden ist. »Warum sollte es nicht auf meinen Namen sein? Schließlich bin ich ihr Vater.«
    »Sie haben dein Blut in sich. Wenn dich das zu einem Vater macht, dann bist du vermutlich einer.«
    Ich konnte sehen, wie er sich darüber klarzuwerden versuchte, ob es sich lohnte, darauf einzugehen und eine Weile darauf rumzureiten; doch dann beschloß er, es zu lassen. »Ich will davon nichts mehr hören, Dolores«, sagte er. »Laß dir das gesagt sein.«
    »Nun, vielleicht noch etwas mehr«, erwiderte ich lächelnd. »Du hast nämlich die Überraschung vergessen.« Er sah mich an, jetzt wieder argwöhnisch. »Was zum Teufel quasselst du da, Dolores?«
    »Ich war bei dem Mann, der bei der Coastal Northern in Jonesport für die Sparkonten zuständig ist«, sagte ich. »Ein netter Mann. Er heißt Pease. Ich habe ihm erklärt, was passiert ist, und er war empört. Zumal, als ich ihm die Sparbücher zeigte, die nicht verlorengegangen waren, wie du behauptet hattest.«
    Das war der Moment, in dem er das bißchen Interesse an der Sonnenfinsternis verlor, das er gehabt hatte. Er saß einfach da in seinem schäbigen alten Schaukelstuhl und starrte mich an. Auf seiner Stirn tobte ein Gewitter, und seine Lippen waren zu einer

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