Dolores
Mülltonnen in der Garage, das war auch so eine Sache. Es gab sechs davon. Sonny Quist kam einmal in der Woche, um den Müll abzuholen, und entweder die Haushälterin oder eines der Mädchen - je nachdem, wer gerade an der Reihe war - mußte die Tonnen in der Minute, in der Sekunde, in der er wieder abfuhr, in die Garage zurückschaffen. Und man konnte sie nicht einfach in die Ecke zerren und stehenlassen; sie mußten paarweise an der Ostwand der Garage aufgestellt und sämtliche Deckel ordentlich aufgelegt werden. Wenn man vergaß, es genau auf diese Weise zu tun, dann gnade dir Gott.
Und dann waren da die Fußmatten. Es gab drei davon eine für die Vordertür, eine für die Terrassentür und eine für die Hintertür, an der so ein arrogantes Schild mit der Aufschrift LIEFERANTENEINGANG hing - bis voriges Jahr, wo ich es satt hatte, es anzusehen, und es abnahm. Einmal in der Woche mußte ich dies« Fußmatten aufnehmen und sie auf einen großen Felsbrocken am Ende des Hinterhofs legen, ich würde sagen, ungefähr vierzig Meter vom Swimmingpool entfernt, und mit einem Besen den Dreck aus ihnen rausklopfen. Der Dreck mußte richtig fliegen. Und wenn er das nicht tat, mußte man damit rechnen, daß sie einen erwischte. Sie beobachtete nicht immer, wie man die Fußmatten ausklopfte, aber ziemlich oft. Sie tat es vom Fenster aus, mit dem Fernglas ihres Mannes. Und das Entscheidende war, wenn man die Matten dann wieder zum Haus zurückbrachte, dann mußte man aufpassen, daß die Inschrift WELCOME in die richtige Richtung zeigte. Die richtige Richtung war die, daß jemand, der sich der jeweiligen Tür näherte, sie lesen konnte. Wenn man eine Fußmatte falsch herum vor die Schwelle legte, dann gnade dir Gott.
Es muß an die vier Dutzend Dinge dieser Art gegeben haben. Damals, als ich als Halbtagsmädchen anfing, wurde unten im Gemischtwarenladen viel getuschelt über Vera Donovan. Die ganzen fünfziger Jahre hindurch hatten die Donovans häufig Gäste und entsprechend viele Aushilfskräfte, und gewöhnlich war diejenige, die am lautesten tuschelte, irgendein junges Ding, das vorübergehend eingestellt und dann entlassen worden war, weil es dreimal hintereinander gegen eine der Regeln verstoßen hatte. Es erzählte dann jedem, der zuhören wollte, daß Vera Donovan ein gemeines, scharfzüngiges Frauenzimmer war und obendrein total verrückt. Nun, vielleicht war sie verrückt, vielleicht auch nicht, aber eines kann ich euch versichern - wenn man nichts vergaß, machte sie einem auch nicht die Hölle heiß. Und im Grunde denke ich: Jeder, der sich merken kann, wer in all diesen Seifenopern, die nachmittags im Fernsehen laufen, mit wem schläft, der sollte auch imstande sein, sich zu merken, daß er für die Wannen Spic n Span verwenden und die Fußmatten so hinlegen muß, daß sie in die richtige Richtung zeigen.
Aber jetzt zu den Laken. Das war eine Sache, die man niemals falsch machen durfte. Sie mußten völlig gleichmäßig auf den Leinen hängen, so, daß die Kanten eine Linie bildeten, und für jedes mußte man sechs Wäscheklammern benutzen. Niemals vier; immer sechs. Und wenn man eines im Dreck schleifen ließ, dann brauchte man gar nicht zu warten, bis man etwas dreimal falsch gemacht hatte. Die Leinen waren immer in dem Hof ausgespannt, der neben dem Haus und direkt unter ihrem Schlafzimmerfenster liegt. Sie trat an dieses Fenster, jahrein, jahraus, und schrie mir zu: »Sechs Klammem, Dolores! Haben Sie gehört? Sechs, nicht vier! Ich zähle sie, und meine Augen sind immer noch so gut, wie sie früher einmal waren!« Sie…
Wie bitte?
Nun laß sie doch, Andy. Das ist schließlich eine vernünftige Frage, und obendrein eine, die zu stellen ein Mann nicht genug Verstand hat.
Ich werde es dir sagen, Nancy Bannister aus Kennebunk, Maine - ja, sie hatte tatsächlich einen Trockner, einen hübschen, großen, aber es war uns verboten, die Laken hineinzustecken, solange der Wetterbericht nicht fünf Tage Regen vorhergesagt hatte. »Die einzigen Laken, die es wert sind, auf dem Bett einer anständigen Person zu liegen, sind die, die im Freien getrocknet wurden«, pflegte Vera zu sagen, »weil sie so gut riechen. Sie fangen ein bißchen von dem Wind ein, der sie flattern läßt, und der Duft beschert einem angenehme Träume.«
In vielen Dingen war sie ziemlich bescheuert, aber nicht, was den Duft nach frischer Luft anging; was das betraf, hatte sie meiner Meinung nach recht. Jeder kann den Unterschied riechen
Weitere Kostenlose Bücher