Dom Casmurro
einmal, es ist noch nicht lange her, sagte er in meiner Anwesenheit zu jemandem, Sie seien ein ‹ äußerst fähiger Mensch, der reden kann wie ein Parlamentsabgeordneter › .»
José Dias lächelte verzückt, riss sich jedoch sofort zusammen und machte ein verschlossenes Gesicht. Dann erwiderte er: «Dafür bedanke ich mich nicht. Andere Menschen von edlerem Blute waren bereits so gütig, eine hohe Meinung von mir zu haben. Das ändert nichts daran, dass er ist, wie ich gesagt habe.»
Wir waren weitergegangen und zur Uferterrasse hochgestiegen, nun blickten wir auf das Meer.
«Ich sehe, dass Sie nur mein Wohl im Auge haben», sagte ich nach einer Weile.
«Aber selbstverständlich, Bentinho!»
«In diesem Falle bitte ich Sie um einen Gefallen.»
«Um einen Gefallen? Sprich, befiehl mir, was ist es?»
«Mam a …»
Eine Weile lang konnte ich nicht weiterreden, obwohl es nicht viel zu sagen gab und ich es auswendig konnte. José Dias fragte erneut, was es sei, schüttelte mich sanft, hob mein Kinn und sah mir in die Augen, nunmehr ebenfalls ängstlich, wie am Vortag Base Justina.
«Mama? Was ist mit Mama?»
«Mama will, dass ich Priester werde, aber ich kann nicht Priester werden», sagte ich schließlich.
José Dias schrak auf.
«Ich kann nicht», fuhr ich fort, nicht weniger erschrocken als er, «ich eigne mich nicht dazu; ein Leben als Priester ist einfach nichts für mich. Ich tue alles, was sie will; Mama weiß, dass ich alles tue, was sie mir sagt. Ich bin auch bereit, das zu werden, was sie gern möchte, sogar Omnibuskutscher. Nur Priester nicht; Priester kann ich nicht werden. Das ist ein schöner Beruf, aber nichts für mich.»
Diese ganze Rede kam nicht so flüssig, zusammenhängend und entschieden aus meinem Munde, wie das Geschriebene vielleicht vermuten lässt, sondern bruchstückhaft, stotternd und mit dumpfer, verängstigter Stimme. Dennoch hatte José Dias mir völlig perplex zugehört. Er hatte offensichtlich nicht mit dem leisesten Widerstand meinerseits gerechnet. Was ihn jedoch am meisten in Erstaunen versetzte, war mein Schlusssatz: «Ich rechne damit, dass Sie mich retten.»
Die Augen unseres Hausfreundes weiteten sich, seine Brauen wölbten sich, und das Vergnügen, das ich ihm mit der Wahl zu meinem Beschützer zu bereiten geglaubt hatte, zeigte sich in keinem Muskel. Sein Gesicht reichte gar nicht aus für diese übergroße Verblüffung. In der Tat zeigte ich mich mit diesem Thema plötzlich von einer ganz anderen Seite, und ich selbst kannte mich kaum wieder. Aber in meinem Schlusswort lag eine ungeheure Kraft. José Dias war verwirrt. Als seine Augen wieder eine normale Größe angenommen hatten, fragte er: «Aber was kann ich denn tun?»
«Sie können viel tun. Sie wissen, dass zu Hause ein jeder Sie schätzt. Mama fragt Sie oftmals um Ihren Rat, nicht wahr? Onkel Cosme sagt, Sie seien ein begabter Mensc h …»
«Das tun sie nur aus Güte», erwiderte er geschmeichelt. «Das sind Gunstbezeugungen ehrenwerter Menschen, die man einfach achten mus s … Ja, das muss man! Niemals wird mich jemand schlecht über diese Menschen reden hören. Warum? Weil sie ehrwürdig und tugendhaft sind. Deine Mutter ist eine Heilige, dein Onkel der vollkommene Kavalier. Ich habe andere Familien kennengelernt, glaub mir; keine übertrifft die deine in Bezug auf die Reinheit der Gefühle. Die Begabung, die dein Onkel in mir sieht, habe ich wohl, das gebe ich zu, aber es ist nur eine – es ist nur die Begabung, zu wissen, was gut, bewundernswürdig und achtenswert ist.»
«Es ist bestimmt auch die Begabung, Freunde wie mich zu beschützen.»
«Was kann ich denn für dich tun, Engel des Himmels? Ich werde doch nicht deiner Mutter ein Vorhaben ausreden, das nicht nur ein Gelübde, sondern ihr Wunschtraum vieler Jahre ist. Und selbst wenn ich das könnte, wäre es bereits zu spät. Erst gestern noch war sie so gütig, mir anzuvertrauen: ‹ José Dias, ich muss Bentinho ins Priesterseminar geben › .»
Die Schüchternheit ist offensichtlich doch keine so schlechte Eigenschaft, wie man immer denkt. Wäre ich forsch gewesen, hätte ich ihn wahrscheinlich mit der ganzen Empörung, die ich empfand, als Lügner bezeichnet, aber damit hätte ich unweigerlich zugegeben, dass ich hinter der Tür gelauscht hatte, und das eine war so schlecht wie das andere. Ich begnügte mich also damit zu antworten, dass es noch nicht zu spät sei.
«Noch ist Zeit, wenn Sie nur wollen.»
«Wenn ich nur will? Aber was
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