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Dom Casmurro

Dom Casmurro

Titel: Dom Casmurro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquim Maria Machado de Assis
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Sterne. Bei den Dialogen veränderte er die Stimme. Je nach dem Geschlecht der Figuren sprach er mal tief, mal hoch, und Gefühle wie Zärtlichkeit oder Wut gab er ebenfalls in gemäßigter Form wieder.
    Als er sich auf der Veranda von mir verabschiedete, sagte er: «Morgen, auf der Straße. Ich muss ein paar Einkäufe tätigen, du kannst mitkommen, ich bitte deine Mama darum. Hast du morgen Unterricht?»
    «Nein, der Unterricht war heute.»
    «Sehr schön. Ich frage dich nicht, worum es geht, gehe aber davon aus, dass es eine ernste und wichtige Angelegenheit ist.»
    «Jawohl.»
    «Dann also bis morgen.»
    Alles lief wie geplant, bis auf eine Änderung: Meine Mutter fand, dass es ein sehr heißer Tag sei, und erlaubte mir nicht, zu Fuß zu gehen. Also nahmen wir direkt vor unserer Haustür den Pferdeomnibus.
    «Das macht nichts», sagte José Dias. «Wir können ja am Eingang zum Passeio Público 22 wieder aussteigen.»
    24
    Mutter und Diener
    José Dias behandelte mich mit der Fürsorglichkeit einer Mutter und der Zuvorkommenheit eines Dieners. Als ich anfing, hinaus auf die Straße zu gehen, erwirkte er, dass ich keinen Pagen mehr brauchte; er machte sich selbst zum Pagen und begleitete mich überallhin. Er wachte über meine häusliche Ordnung, über meine Bücher, meine Schuhe, meine Hygiene und meine Sprache. Als ich acht Jahre alt war, hatten meine Pluralformen nicht immer die richtigen Endungen, und das korrigierte er, einesteils ernsthaft, um seiner Belehrung Nachdruck zu verleihen, andernteils scherzhaft, damit ich ihm das Verbessern nicht übelnahm. Auf diese Weise unterstützte er den Lehrer der ersten Stunde. Später, als Pater Cabral mich Latein, die Heilige Schrift und Geschichte lehrte, wohnte er dem Unterricht bei, trug geistliche Reflexionen vor und fragte am Ende den Pater: «Finden Sie nicht, dass unser junger Freund schnell vorankommt?» Er nannte mich einen «Wunderknaben», erzählte meiner Mutter, er habe früher sehr intelligente Knaben kennengelernt, ich aber überträfe sie alle und verfügte außerdem für mein Alter bereits über ein solides moralisches Empfinden. Und obgleich ich den Wert dieses anderen Lobes nicht ganz einschätzen konnte, gefiel es mir doch; schließlich war es ein Lob.
    25
    Im Passeio Público
    Wir betraten den Passeio Público. Ein paar alte, kränkliche oder einfach nur müßiggängerische Figuren bevölkerten auf melancholische Weise den Weg zwischen Eingangsportal und Uferterrasse. Wir gingen in Richtung Terrasse. Während wir einherschritten, sprach ich, um mir Mut zu machen, über den Park: «Ich war lange nicht hier, vielleicht sogar ein ganzes Jahr.»
    «Verzeih mir», unterbrach er mich, «es ist noch keine drei Monate her, dass du mit unserem Nachbarn Pádua hier warst, erinnerst du dich nicht mehr daran?»
    «Das ist richtig, aber das war nur ganz kur z …»
    «Er bat deine Mutter, dich mitnehmen zu dürfen, und sie, die gütig ist wie die Muttergottes, erlaubte es. Aber da wir schon darauf zu sprechen kommen, will ich dir eines sagen: Es ist nicht schicklich, wenn du dich mit Pádua auf der Straße zeigst.»
    «Aber ich war doch schon ein paar Mal mit ih m …»
    «Als du jünger warst; als Kind war das etwas anderes, da konnte man ihn für deinen Diener halten. Aber du wirst jetzt erwachsen, und er wird immer vertrauensseliger. Das kann Dona Glória wirklich nicht recht sein. Nicht, dass die Páduas gänzlich schlecht wären. Capitu ist trotz dieser teuflischen Augen, die Gott ihr gegeben ha t … Hast du ihre Augen schon einmal bemerkt? Es sind die einer listigen, hinterhältigen Zigeunerin. Nun ja, trotzdem könnte man sie noch durchgehen lassen, wären da nicht diese Eitelkeit und diese Anbiederung. Oh, wie sie sich anbiedert! Dona Fortunata verdient Ehrerbietung, und bei ihm bestreite ich auch nicht, dass er ein aufrechter Mensch ist; er hat einen guten Posten und besitzt das Haus, in dem er wohnt, aber Aufrichtigkeit und Ehrerbietung genügen nicht, seine guten Eigenschaften verlieren durch den schlechten Umgang, den er pflegt, an Wert. Pádua hat eine Schwäche für den Pöbel. Er ist in der Familie derjenige, der etwas Ordinäres an sich hat. Ich sage dies nicht aus persönlicher Abneigung und auch nicht, weil er schlecht über mich spricht oder mich vor ein paar Tagen wegen meiner abgelaufenen Schuhe ausgelacht hat.»
    «Verzeihen Sie», unterbrach ich ihn und blieb stehen, «ich habe ihn nie schlecht über Sie reden hören, ganz im Gegenteil,

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