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Dom Casmurro

Dom Casmurro

Titel: Dom Casmurro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquim Maria Machado de Assis
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Lehrers vernommen? Du hast dich gut betragen. Mach weiter so.»
    «Aber 1859 oder 1860 ist sehr spät.»
    «Es wird noch in diesem Jahr sein», erwiderte José Dias.
    «In drei Monaten?»
    «Besser in sechs.»
    «Nein, in drei.»
    «Na schön. Ich habe jetzt einen Plan, der mir besser erscheint als alle anderen. Ich möchte nämlich das Fehlen der Berufung zum Geistlichen mit der Notwendigkeit einer Luftveränderung verbinden. Warum hustest du nicht?»
    «Warum ich nicht huste?»
    «Nicht sofort, ich werde dir sagen, wenn es angebracht ist zu husten, dann und wann ein kleiner trockener Husten und eine kleine Beschwerde. Und ich bereite die Gnädigste Frau darauf vo r … All das erfolgt doch nur zu ihrem Wohle. Wenn ihr Sohn der Kirche nicht auf gebührende Weise dienen kann, erfüllt er Gottes Wille am besten, wenn er sich anderen Dingen widmet. Für gute Menschen ist die Welt ebenfalls eine Kirch e …»
    Erneut kam mir die Kuh des Homer in den Sinn, als wäre dieses «Für gute Menschen ist die Welt ebenfalls eine Kirche» ein weiteres Kalb, Geschwisterchen der «heiligen Öle der Theologie». Doch ich hielt mich nicht mit mütterlichen Gefühlen auf, sondern erwiderte: «Ah, verstehe! Ich soll ihr zeigen, dass ich krank bin, damit wir reisen können, nicht wahr?»
    José Dias zögerte einen Augenblick und erklärte dann: «Du sollst ihr die Wahrheit zeigen, Bentinho, denn ehrlich gesagt kommt mir deine Brust schon seit Monaten verdächtig vor. Deine Brust ist nicht in Ordnung. Als du klein warst, hattest du öfter Fieber und hast geröchel t … Das ist vorbei, aber seit Tagen bist du schon ganz blass. Ich sage nicht, dass es bereits die Krankheit ist, aber die Krankheit kann schnell kommen. Ein Haus kann binnen einer Stunde einstürzen. Wenn also diese Heilige, deine Mutter, nicht mit uns reisen möchte – oder auch um das Ganze zu beschleunigen –, glaube ich, dass ein ordentlicher Huste n … Und falls der Husten von alleine kommt, solltest du ihm ein wenig nachhelfe n … Lass mich nur machen, ich gebe dir dann Beschei d …»
    «Einverstanden, aber ich muss auch nicht unbedingt sofort auf Reisen gehen, wenn ich hier herauskomme. Die Reise kann auch erst im nächsten Jahr stattfinden. Heißt es nicht, die beste Zeit sei April oder Mai? Dann sagen wir doch Mai. Als Erstes trete ich aus dem Seminar aus, in zwei Monate n …»
    Und weil mir dieser Satz schon länger auf der Zunge brannte, wechselte ich blitzschnell das Thema und fragte unvermittelt: «Wie geht es Capitu?»
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    Ein bisschen Jago 41
    Die Frage war unklug gewesen, zumal in einer Situation, in der ich die Schiffsreise zu verschieben gesucht hatte. Damit gab ich gleichermaßen zu, dass Capitu der hauptsächliche oder alleinige Grund für die Ablehnung des Seminars war und die Reise voraussichtlich nicht stattfinden würde. Das wurde mir klar, kaum dass ich den Satz ausgesprochen hatte. Ich wollte mich noch verbessern, doch weder wusste ich wie, noch ließ José Dias mir die Zeit dazu.
    «Sie ist fröhlich wie immer, das naive Ding. So wird das wohl bleiben, bis sie sich einen Burschen aus der Nachbarschaft schnappt und ihn heirate t …»
    Ich glaube, ich wurde kalkweiß. Zumindest spürte ich, wie ein eiskalter Schauder meinen ganzen Körper erfasste. Die Nachricht, dass sie fröhlich war, während ich jede Nacht weinte, löste außerdem ein so heftiges Herzklopfen aus, dass ich es noch heute höre. Das ist natürlich leicht übertrieben, aber so ist die menschliche Ausdrucksweise, eine Mischung aus übertrieben großen und ganz kleinen Worten, die sich gegenseitig ausgleichen und aneinander anpassen. Wenn wir zudem bedenken, dass es hier nicht um ein Hören mit den Ohren, sondern um einen Nachhall der Erinnerung geht, kommen wir der exakten Wahrheit näher. Meine Erinnerung vernimmt noch immer die damaligen Schläge meines Herzens. Vergiss nicht, lieber Leser, es war der Überschwang der ersten Liebe. Fast hätte ich José Dias gebeten, mir Capitus Fröhlichkeit zu erklären, mir zu sagen, was sie machte, ob sie die ganze Zeit lachte, sang oder herumhüpfte. Doch ich hielt mich noch rechtzeitig zurück, weil mir ein anderer Gedanke ka m …
    Ein Gedanke war es eigentlich gar nicht – eher ein grausames neues Gefühl, nämlich die pure Eifersucht, du Leser meines innersten Empfindens. Das war es, was mich quälte, wenn ich mir José Dias’ Worte vorsagte: «einen Burschen aus der Nachbarschaft». Eine solche Katastrophe hatte ich in der Tat

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