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Dom Casmurro

Dom Casmurro

Titel: Dom Casmurro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquim Maria Machado de Assis
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sämtliche großen und kleinen Gewinne. Der größte musste mit dem Mund überreicht werden. Und hier beginnt der zweite Teil des Traums. Pádua verschwand wie seine Hoffnungen auf das große Los. Capitu beugte sich nach draußen, ich sah mich auf der Straße um, sie war leer. Dann nahm ich ihre Hände, murmelte ein paar unzusammenhängende Worte und wachte alleine im Schlafsaal auf.
    Für dich, lieber Leser, ist nicht der Inhalt des Traums interessant, sondern mein verzweifelter Versuch, wieder einzuschlafen und weiterzuträumen. Niemals wirst du ermessen können, welche Energie und Ausdauer ich darauf verwendete, die Augen zu schließen, sie fest zuzudrücken und alles zu vergessen, um einschlafen zu können. Aber ich schlief nicht. Die Anstrengung bewirkte nämlich, dass ich bis zum Morgengrauen wach lag. Erst dann fand ich in den Schlaf, doch ohne Burschen, Lotterielose oder große und kleine Gewinne – nichts, aber auch gar nichts davon erlebte ich. Ich träumte nichts mehr in dieser Nacht und war am nächsten Tag im Unterricht unaufmerksam.
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    Eine Idee und ein Zweifel
    Beim nochmaligen Lesen des vorherigen Kapitels kommen mir ein Gedanke und ein Zweifel. Der Zweifel betrifft gerade das Niederschreiben des Gedankens, der an Banalität nicht zu überbieten ist, sieht man einmal von der Banalität der Sonne und des Mondes ab, mittels derer uns der Himmel hier auf Erden Tage und Monate schenkt. Ich legte das Manuskript weg und betrachtete die Wände. Du weißt, lieber Leser, das Haus in Engenho Novo ist von seiner Größe, der Aufteilung und den Farben her eine Reproduktion meines alten Zuhauses in der Rua de Matacavalos. Und wie ich im zweiten Kapitel dargelegt habe, war es mein Ziel, mit dieser Nachahmung des alten Hauses die beiden Enden meines Lebens zu verknüpfen, was mir im Übrigen nicht gelungen ist. Dasselbe passierte mir auch mit diesem Traum, als ich so verzweifelt versuchte, wieder einzuschlafen. Daraus folgere ich, dass es zu den Pflichten des Menschen zählt, die Augen fest zu schließen und zu versuchen, den abgebrochenen Traum der ersten Nachthälfte in der zweiten fortzusetzen. Das ist die banale neue Idee, die ich nicht aufschreiben wollte und deshalb hier auch nur vorläufig festhalte.
    Vor der Beendigung dieses Kapitels trat ich jedoch ans Fenster und wollte von der Nacht wissen, warum die Träume so zart seien, dass sie, kaum dass man die Augen öffne oder sich auf die Seite drehe, sofort abbrächen und nicht mehr weitergingen. Die Nacht antwortete mir nicht sofort. Sie war zauberhaft schön, die Hügel bleich vom Mondlicht, und alles war totenstill. Da ich nicht lockerließ, erklärte sie mir, die Träume unterstünden bereits nicht mehr ihrer Gerichtsbarkeit. Früher hätten die Träume auf einer Insel gewohnt, die Lukian ihnen geschenkt hatte, 42 und seien von dort mit mannigfaltigen Gesichtern in die Welt hinausgesandt worden. Damals hätte die Nacht, deren Palast ebenfalls auf jener Insel stand, mir meine Frage beantworten können. Doch die Zeiten hätten sich geändert. Die alten Träume seien inzwischen im Ruhestand, die modernen lebten in den Gehirnen der Menschen und könnten, selbst wenn sie dies wollten, nie so werden wie die alten. Sowohl die Insel der Träume als auch die der Liebe und alle weiteren Inseln im Meer seien heute Objekte der Begierde und der Rivalität zwischen Europa und den Vereinigten Staaten.
    Das war eine Anspielung auf die Philippinen. Da ich die Politik und insbesondere die internationale Politik nicht mag, schloss ich das Fenster und beendete das Kapitel, damit ich schlafen gehen konnte. Heute erbitte ich weder Lukians noch andere, aus der Erinnerung oder der Verdauung geborene Träume. Ein ruhiger, traumloser Schlaf ist mir genug. Morgen früh, wenn es wieder kühl ist, werde ich zu meiner Erzählung und ihren Figuren zurückkehren.
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    Die Verstellung
    Es kam der Samstag, es kamen weitere Samstage, und am Ende freundete ich mich mit meinem neuen Leben an.
    Ich war abwechselnd zu Hause und im Seminar. Die Patres mochten mich, meine Mitschüler ebenfalls, und mehr noch als meine Mitschüler und die Patres mochte mich Escobar. Nach fünf Wochen hätte ich ihm um ein Haar von meinen Sorgen und Hoffnungen erzählt. Doch Capitu hielt mich zurück.
    «Escobar ist ein sehr guter Freund von mir, Capitu!»
    «Aber nicht von mir.»
    «Das kann er aber werden. Er hat mir bereits gesagt, dass er einmal kommen will, um Mama kennenzulernen.»
    «Das ist mir

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