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Dom Casmurro

Dom Casmurro

Titel: Dom Casmurro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquim Maria Machado de Assis
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äße. Escobar überlegte kurz und sagte dann, der Partner seines Vaters warte auf ihn. Da erinnerte ich mich an Gurgels Worte und wiederholte sie: «Wir schicken einfach einen Sklaven, der ihm ausrichtet, dass Sie zum Abendessen hierbleiben und später kommen.»
    «So viele Umstände!»
    «Das sind keine Umstände», mischte Onkel Cosme sich ein.
    Escobar nahm die Einladung an und blieb zum Abendessen. Ich bemerkte, dass er seine fahrigen Bewegungen, die er auch während des Unterrichts zügelte, nun ebenfalls zügelte, sowohl im Wohnzimmer als auch bei Tisch. Die Stunde, die er anschließend mit mir verbrachte, stand im Zeichen aufrichtiger Freundschaft. Ich zeigte ihm die wenigen Bücher, die ich besaß. Das Gemälde meines Vaters gefiel ihm besonders. Nachdem er es eine Weile betrachtet hatte, wandte er sich zu mir um und sagte: «Man sieht, dass er ein reines Herz hatte!»
    Escobars Augen waren nicht nur hell, wie bereits gesagt, sondern auch äußerst sanft. So beschrieb sie José Dias, als Escobar gegangen war, und trotz der vierzig Jahre, die vergangen sind, habe ich seine Worte behalten. Und diesmal hatte der Hausfreund nicht übertrieben. Escobars Teint war weiß und glatt, die Stirn zwar ein wenig niedrig, mit dem Scheitelansatz knapp über der linken Augenbraue, aber doch hoch genug, um die Harmonie der anderen Gesichtszüge nicht zu stören oder deren Reiz zu mindern. Er hatte in der Tat ein interessantes Gesicht mit fein gezeichneten, leicht ironischen Lippen und einer schmalen, gebogenen Nase. Zwar hatte er die Angewohnheit, gelegentlich mit der rechten Schulter zu zucken, doch die legte er ab, nachdem einer von uns ihn im Seminar darauf aufmerksam gemacht hatte. Für mich war dies das erste Beispiel dafür, dass ein Mensch kleine Fehler korrigieren kann.
    Ich habe immer schon einen gewissen Stolz empfunden, wenn meine Freunde allen gefielen. Escobar schlossen zu Hause alle in ihr Herz. Selbst Base Justina meinte, er sei ein sehr liebenswerter Junge, trot z … «Trotz was?», fragte José Dias nach, als er sah, dass sie ihren Satz nicht zu Ende führte. Er erhielt keine Antwort und konnte auch keine erhalten, weil Base Justina vermutlich gar keinen eindeutigen, nennenswerten Fehler an unserem Gast gefunden hatte. Das «trotz» war wohl eine Art Vorbehalt für etwas, das sie irgendwann einmal entdecken würde, oder es war einfach nur die alte Gewohnheit, die sie das einschränken ließ, was gar keiner Einschränkung bedurfte.
    Escobar verabschiedete sich gleich nach dem Abendessen. Ich brachte ihn zur Tür, wo wir auf den Pferdeomnibus warteten. Er sagte mir, das Geschäft des Partners seines Vaters befinde sich in der Rua dos Pescadores und sei bis neun Uhr geöffnet, aber er wolle nicht so lange wegbleiben. Unser Abschied war sehr herzlich: Er winkte mir aus dem Omnibus zu. Ich blieb an der Tür stehen und wartete, ob er noch einmal zurückblicken würde, doch das tat er nicht.
    «Das scheint ja ein sehr wichtiger Freund zu sein», sagte jemand vom Nachbarsfenster her.
    Es muss nicht eigens erwähnt werden, dass es Capitu war. Bestimmte Dinge errät man im Leben wie in den Büchern, seien es fiktive Romane oder wahre Geschichten. Es war Capitu, die uns seit einiger Zeit, hinter dem Fensterladen verborgen, beobachtet hatte und nun das Fenster ganz öffnete und sich zeigte. Sie hatte unseren liebevollen und freundschaftlichen Abschied bemerkt und wollte wissen, wer mir denn so teuer war.
    «Das war Escobar», sagte ich, stellte mich unter ihr Fenster und blickte hinauf.
    72
    Eine Reform des Dramas
    Weder ich, noch du, noch sie, noch irgendeine andere Figur aus dieser Geschichte hätte etwas anderes antworten können, denn eines ist gewiss: Das Schicksal kündigt, ähnlich wie die Dramatiker, die Peripetie und die Lösung des Konflikts nicht an. Sie ereignen sich, wenn ihre Zeit gekommen ist, bevor am Ende der Vorhang fällt, die Lichter aus- und die Zuschauer schlafen gehen. Vielleicht bedarf diese literarische Gattung ja einer kleinen Reform, und ich würde versuchsweise vorschlagen, die Dramen mit dem Schluss beginnen zu lassen. Dann würde Othello also im ersten Akt sich und Desdemona töten, während die drei folgenden der sich langsam abschwächenden Kraft der Eifersucht gewidmet wären. Im letzten hingegen kämen nur noch die Anfangsszene, die Bedrohung durch die Türken, Othellos und Desdemonas Erklärungen und der gute Rat des listigen Jago zur Aufführung: «Tu nur Geld genug in deinen

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