Dom Casmurro
glichen. Ich nickte vage, wie immer, wenn ich mir einer Sache nicht sicher war. Es konnte durchaus sein. Gewiss war nur, dass sie sich sehr gern hatten und später vielleicht einmal heiraten würden. Doch sie heirateten einander nicht.
118
Sanchas Hand
Alles geht einmal zu Ende, lieber Leser. Das ist ein alter Gemeinplatz, dem man noch hinzufügen könnte, dass nicht alles, was von Dauer ist, auch von langer Dauer ist. Dieser zweite Gedanke dürfte allerdings nur wenige Anhänger finden; im Gegenteil, der Gedanke, dass ein Luftschloss länger währt als die Luft, die es errichtet hat, ist aus den Köpfen der Menschen nur schwer herauszubringen. Aber das ist auch gut so, sonst würde sich dieser Brauch, nahezu ewige Gebilde zu errichten, vielleicht verlieren.
Unser Schloss war solide gebaut, doch eines Sonntag s …
Den Vorabend hatten wir in Flamengo verbracht, und es waren nicht nur wir zwei unzertrennlichen Ehepaare, sondern auch der Hausfreund und Base Justina zugegen. Als ich mit Escobar am Fenster stand, bat er mich, am nächsten Tag erneut mit Capitu zum Abendessen zu kommen, weil er mit uns über ein gemeinsames Vorhaben sprechen müsse, ein Vorhaben für uns vier.
«Für uns vier? Ein Kontertanz?»
«Nein. Du wirst es nicht erraten, und ich sage es dir auch nicht. Kommt morgen vorbei.»
Sancha hatte uns während dieses Gesprächs in der Fensternische unentwegt beobachtet. Als ihr Mann das Zimmer verließ, trat sie zu mir. Sie fragte mich, worüber wir gesprochen hätten. Ich sagte ihr, es sei um ein Vorhaben gegangen, von dem ich noch nicht wisse, was es sei. Sie bat mich, niemandem etwas zu sagen, und verriet mir, was es war: Eine Reise nach Europa in zwei Jahren. Sie stand mit dem Rücken zum Salon und seufzte mehr, als dass sie sprach. Das Meer war sehr aufgewühlt und prallte mit großer Wucht auf den Strand.
«Fahren wir alle?», fragte ich schließlich.
«Ja.»
Sancha hob den Kopf und sah mich so begeistert an, dass ich sie als Capitus Freundin am liebsten auf die Stirn geküsst hätte. Doch Sanchas Augen luden nicht zu brüderlichen Gefühlsbezeugungen ein, sie waren glühend und einnehmend und sprachen eine andere Sprache. Es dauerte nicht lange, bis sie sich von dem Fenster abwandten, an dem ich weiterhin nachdenklich aufs Meer blickte. Die Nacht war klar.
Von dort aus suchte ich Sanchas Augen neben dem Klavier. Sie kamen den meinen entgegen. Zwei Paar Augen standen sich gegenüber, und beide warteten darauf, dass das andere weiterwanderte, doch das passierte nicht. Ähnliches kann man auf der Straße bei dickköpfigen Menschen erleben. Die Vorsicht trennte unsere Augen schließlich. Ich wandte mich wieder um, blickte nach draußen und kramte in meiner Erinnerung, ob ich Sancha je in dieser Weise angeblickt hatte. Ich wurde unsicher. Mir fiel nur eine Situation ein, in der ich an sie gedacht hatte, wie man an eine schöne Unbekannte denkt, die vorübergeht. Aber sollte sie das erraten haben? Vielleicht hatte man mir damals den Gedanken bereits angesehen, und sie war mir verwirrt oder beklommen ausgewichen, kam nun aber in einer zügellosen Anwandlung auf mich z u … Zügellos; das Wort erinnerte an das des Priesters in der Kirche, das wir hören und später für uns wiederholen.
«Morgen ist das Meer eine echte Herausforderung», erklang Escobars Stimme neben mir.
«Du gehst morgen schwimmen?»
«Ich bin schon bei höheren, viel höheren Wellen schwimmen gegangen. Du glaubst gar nicht, wie schön das Meer in diesem aufgewühlten Zustand ist. Man muss gut schwimmen können, so wie ich, und diese Lungen haben», sagte er und klopfte sich auf die Brust. «Und diese Arme. Hier, fühl einmal.»
Ich befühlte seine Arme, als wären es die von Sancha. Es fällt mir schwer, dies hier zuzugeben, aber ich darf es nicht weglassen, sonst würde ich die Wahrheit beschneiden. Mir kam jedoch nicht nur dieser Gedanke, als ich sie anfasste, ich spürte auch noch etwas anderes. Ich spürte, dass seine Arme dicker und stärker waren als die meinen, und darauf wurde ich neidisch. Hinzu kam, dass sie schwimmen konnten.
Bevor wir nach Hause gingen, sprachen meine Augen erneut zu der Hausherrin. Ihre Hand drückte die meine kraftvoll und länger als sonst.
Die Bescheidenheit hätte mir damals wie heute gebieten müssen, in Sanchas Geste eher die Bekräftigung des Vorhabens ihres Ehemannes oder einen Dank zu sehen. Das muss es gewesen sein, doch mein Körper wurde von einem Schauder erfasst, der die hier
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