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Dom Casmurro

Dom Casmurro

Titel: Dom Casmurro Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joaquim Maria Machado de Assis
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dargelegte Schlussfolgerung Lügen strafte. Ich spürte weiterhin Sanchas Finger zwischen den meinen, spürte den gegenseitigen Druck. Es war ein Augenblick des Taumels und der Sünde, und er währte nur kurz auf der Lebensuhr. Als ich diese an mein Ohr hielt, tickten nur noch die Minuten der Tugend und der Vernunft.
    «… Eine ganz besonders reizende Dame», sagte José Dias, der gerade einen seiner Vorträge beendete.
    «Ganz besonders reizend!», erwiderte ich mit einer Glut, die ich sogleich wieder abmilderte. Und ich verbesserte mich: «Wirklich ein ganz besonderer Abend!»
    «So, wie alle Abende in diesem Haus sein sollten», fuhr der Hausfreund fort. «Hier draußen nicht; hier draußen tobt das Meer; hör nur.»
    Man hörte, wie schon vom Haus aus, das tosende Meer; die Brandung war gewaltig, und in der Ferne konnte man sehen, wie sich die Wellen auftürmten. Capitu und Base Justina, die vorausgingen, blieben an einer Strandbiegung stehen, und wir unterhielten uns zu viert. Doch ich beteiligte mich kaum. Ich konnte Sanchas Hand und die Blicke, die wir uns zugeworfen hatten, einfach nicht vergessen. Mal dachte ich dieses, mal jenes darüber. Mal waren es teuflische, mal göttliche Minuten, und die Uhr markierte abwechselnd mein Verderben und meine Rettung. José Dias verabschiedete sich an der Tür von uns. Base Justina wollte bei uns nächtigen. Sie würde am nächsten Tag nach dem Mittagessen und dem Gottesdienst nach Hause gehen. Ich zog mich in mein Arbeitszimmer zurück, wo ich länger als sonst verweilte.
    Das Porträt Escobars, das dort neben dem meiner Mutter hing, sprach zu mir, als wäre es er selbst. Ich kämpfte aufrichtig gegen die Impulse an, die ich aus Flamengo mitgebracht hatte, schob den Gedanken an die Frau meines Freundes beiseite und nannte mich selbst einen Verräter. Und wer sagte mir denn, dass in ihrer Geste beim Abschiednehmen oder auch in den vorherigen eine derartige Absicht gesteckt hatte? Es konnte doch alles mit der Begeisterung für unsere Reise zusammenhängen. Sancha und Capitu waren so gute Freundinnen, dass es für sie eine weitere große Freude wäre, gemeinsam zu verreisen. Und wenn wirklich eine sexuelle Absicht dahintergesteckt hatte, wer sagte mir, dass es nicht mehr war als nur ein kleiner Funke, der über Nacht im Schlaf erlöschen würde? Bisweilen verursacht schon der Gedanke an eine Sünde Gewissensbisse, doch sie verfliegen schnell. Ich klammerte mich an diese Möglichkeit und brachte sie in Einklang mit Sanchas Hand, die ich immer noch in der meinen spürte, heiß, die meine drückend und von meiner gedrück t …
    Der Konflikt zwischen dem Freund und der Anziehung quälte mich sehr. Ein weiterer Auslöser für diese Krise war indes vielleicht auch die Scham. Denn nicht nur der Himmel verleiht uns Tugenden, sondern auch die Scham – übrigens ebenso wie der Zufall, doch der Zufall ist bloße Willkür. Die meisten Tugenden kommen immer noch vom Himmel, dem wir ja unser Naturell verdanken. Die Scham, Mutter der Tugenden, entstammt ebenfalls dem Himmel wie die Tugenden: Genealogisch betrachtet, sind beide von gleichem himmlischem Blut. Das hätte ich mir überlegen können, wäre ich dazu in der Lage gewesen. Doch anfangs schweiften meine Gedanken nur wild umher. Leidenschaft war es nicht, nicht einmal wirkliche Zuneigung. War es also eine Laune? Oder was sonst? Nach zwanzig Minuten war es bereits nichts mehr, gar nichts mehr. Escobars Porträt schien zu mir zu sprechen. Ich erkannte die offene, arglose Haltung meines Freundes, schüttelte den Kopf und ging schlafen.
    119
    Tu es nicht, meine Liebe!
    Die Leserin, die meine Freundin ist und dieses Buch in der Absicht zur Hand nahm, zwischen der gestrigen Kavatine und dem heutigen Walzer ein wenig Erholung zu finden, mag versucht sein, es eilends wieder zuzuklappen, da wir uns nun dem Abgrund nähern. Tu es nicht, meine Liebe, ich ändere die Richtung.
    120
    Die Akten
    Am nächsten Morgen wachte ich befreit von den schrecklichen Gefühlen des Vorabends auf. Ich hieß sie Halluzinationen, frühstückte, blätterte die Zeitungen durch und studierte Akten. Capitu und Base Justina waren nach Lapa in die Neun-Uhr-Messe gegangen. Über den in den Akten aufgeführten Behauptungen der gegnerischen Partei verlor ich Sanchas Bild gänzlich aus den Augen. Es waren falsche, unzulässige Behauptungen, die sich weder auf die Gesetze noch auf die Praxis stützten. Ich erkannte, dass der Prozess leicht zu gewinnen wäre, und

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