Dom Casmurro
konsultierte Dalloz und Pereira e Sousa 73 …
Ein einziges Mal nur sah ich zu dem Porträt von Escobar hin. Es war eine schöne Fotografie, aufgenommen ein Jahr zuvor. In seinem langen, zugeknöpften Gehrock stand er da, die linke Hand auf einer Stuhllehne, die rechte auf der Brust, den Blick links des Betrachters in die Ferne gerichtet. Er wirkte elegant und natürlich. Der Rahmen, den ich dafür hatte anfertigen lassen, verdeckte nicht die Widmung, die darunter, und nicht auf der Rückseite, zu lesen war: «Meinem lieben Bentinho von seinem lieben Escobar. 20 . 4 . 70». Diese Worte bestärkten meine morgendlichen Gedanken und vertrieben endgültig die Erinnerungen an den Vorabend. Damals waren meine Augen noch gut; ich konnte die Widmung von meinem Schreibtisch aus lesen. Dann wandte ich mich wieder meinen Akten zu.
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Die Katastrophe
Als ich mich gerade mit der interessantesten Akte beschäftigte, hörte ich auf der Außentreppe eilige Schritte; es klingelte, jemand klatschte in die Hände, schlug gegen das Gitter, Stimmen ertönten. Alle liefen hinaus, ich ebenfalls. Es war ein Sklave aus Sanchas Haus, der mich holen ließ: «Hingehen dor t … Sinhô schwimmen, Sinhô sterben.»
Mehr sagte er nicht, oder ich hörte den Rest nicht mehr. Ich zog mir etwas über, hinterließ eine Nachricht für Capitu und rannte nach Flamengo.
Auf dem Weg dorthin ahnte ich bereits, was passiert war. Escobar war wie gewöhnlich schwimmen gegangen, hatte sich trotz der stürmischen See etwas weiter als sonst hinausgewagt, war von einer Welle überrollt worden und ertrunken. Die Boote, die ihm zu Hilfe kamen, konnten nur noch seinen Leichnam bergen.
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Das Begräbnis
Die Witw e … Ich erspare euch die Tränen der Witwe, die meinen und die der anderen. Gegen elf Uhr ging ich dort wieder weg. Capitu und Base Justina erwarteten mich zu Hause, die eine erschüttert und gelähmt, die andere eher gelangweilt.
«Geht zu der armen Sanchinha, ich kümmere mich um das Begräbnis.»
So geschah es. Ich wollte ein prachtvolles Begräbnis, und in der Tat kamen zahlreiche Freunde. Am Strand, in den Straßen, auf der Praça da Glória, überall standen Kutschen, darunter viele private. Da das Haus nicht sehr groß war, fanden dort nicht alle Platz. Viele hielten sich am Strand auf und sprachen über das Unglück, zeigten auf die Stelle, an der Escobar ertrunken war, und ließen sich von der Bergung des Toten berichten. José Dias hörte auch, dass über die Geschäfte des Verstorbenen gesprochen wurde, wobei seine Hinterlassenschaften unterschiedlich beurteilt wurden. Einigkeit bestand jedoch darüber, dass die Passiva gering waren. Escobars gute Eigenschaften wurden gelobt. Einige diskutierten auch über das neue Kabinett von Vicomte Rio Branco 74 . All dies trug sich im März des Jahres 1871 zu. Niemals wieder habe ich diesen Monat und dieses Jahr vergessen.
Da ich beschlossen hatte, auf dem Friedhof eine Rede zu halten, schrieb ich ein paar Zeilen nieder und zeigte sie zu Hause José Dias, der sie des Toten und meiner selbst würdig fand. Er erbat sich das Blatt Papier, trug bedächtig und jedes Wort abwägend die Rede vor und bekräftigte dann sein erstes Urteil. Anschließend verbreitete er die Nachricht in Flamengo, worauf ich von einigen Bekannten gefragt wurde: «Dann werden wir Sie also hören?»
«Nur vier Worte.»
Viel mehr sollten es auch nicht werden. Ich schrieb sie nieder, da ich fürchtete, von Gefühlen übermannt zu werden und nicht mehr frei sprechen zu können. In dem Einspänner, in dem ich ein bis zwei Stunden lang herumgefahren war, hatte ich an die Zeit des Seminars, an meine Verbindung mit Escobar, unsere gegenseitige Sympathie und Freundschaft gedacht, die dort begann, später fortgeführt und niemals unterbrochen wurde, bis ein Schicksalsschlag zwei Menschen, die versprochen hatten, lange Zeit zusammenzubleiben, für immer trennte. Ab und zu wischte ich mir eine Träne ab. Der Kutscher wagte es, zwei oder drei Fragen zu meinem seelischen Befinden zu stellen, da er mir aber keine Antwort entlocken konnte, tat er einfach nur seinen Dienst. Als wir zu Hause ankamen, brachte ich meine Gefühle zu Papier. Das sollte die Rede werden.
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Augen wie das wogende Meer
Schließlich kam die Stunde der Aussegnung und des Leichenzugs. Sancha wollte sich von ihrem Mann verabschieden, und die Verzweiflung dieser Situation rührte die Anwesenden zutiefst. Alle Frauen weinten, viele Männer ebenso. Nur Capitu, die die
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