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Domain

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Titel: Domain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Herbert
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sich, der Schmerz war da, vor dem er sich gefürchtet hatte, aber die innere Stimme behielt recht, es dauerte nur ganz kurze Zeit. Das Gefühl, hilflos zu sein, war alles andere als unangenehm, und der Schmerz, der vorhin noch ein Stein gewesen war, wurde zu einem Blütenblatt, das davonflog. Es war, wie die Stimme gesagt hatte: leicht.
    Nicht mehr in einer zerstörten Welt leben müssen. Nicht mehr auf die Symptome einer Krankheit warten müssen, gegen die es kein Heilmittel gab. Ein paar Sekunden
    Abschiedsschmerz, sanft verklingende Wehmut. Dann: Schweben. Aufwärts. Weiter aufwärts. Jemand zerrte an ihm.
    Jemand berührte seine Schulter. Nein, nein, bitte nicht! Ich war zufrieden, wo ich war! Ich hatte mich damit abgefunden! Lasst mich…
    Er wurde an die Oberfläche gehoben, das Wasser schoss aus seinen Lungen. Er versuchte sich von den Händen zu befreien, die ihn von seiner Wolke geholt hatten. Zwei Männer hielten ihn. Die Schmerzen kehrten zurück.
    »Du musst ihm auf den Rücken klopfen!« schrie Farraday.
    »Er erstickt!«
    Grelles Licht blendete Bryce. Er spürte, wie jemand um ihn herumging. Er erhielt einen Schlag, der ihn zwischen die Schulterblätter traf. Er erbrach. Er japste nach Luft, nach der Luft, auf die er wenige Sekunden zuvor freudig und für alle Ewigkeit verzichtet hatte.
    Webber, einer der beiden Techniker, die Farraday in den Krankenflügel begleitet hatten, schlug Bryce mit der flachen Hand auf den Rücken. Der begann zu husten und zu spucken.
    Sein Körper übernahm die Aufgabe, die Lungen zu reinigen, äußere Einwirkung war nicht mehr notwendig.
    »Der typische Fall, wo jemand dem Tod von der Schippe springt«, schrie Webber. Farraday nickte. Thomas, der dritte Mann, hatte die Kranke die auf Bryces Bett gestiegen und ihm beinahe den Tod gebracht hatte, zur Tür geschleppt. Die Strömung war jetzt nicht mehr so stark, weil der Wasserstand im Krankenzimmer auf das gleiche Niveau wie im Flur gestiegen war. Trotzdem kamen sie zu Fall, die Türschwelle war das Hindernis. Die Frau hing an Thomas wie ein Sack Blei. Sie hielt ihren Arm um seinen Hals geklammert, während er versuchte, den Kopf über die Wasseroberfläche zu bekommen. Es gelang ihm, ihre Hand fortzudrücken. Er stand auf, die Frau ebenfalls. Sie fiel auf ihn, umklammerte ihn aufs neue. Thomas hatte sie retten wollen, jetzt änderte er seinen Entschluss.
    Er legte ihr die Finger der linken Hand um den Hals und drückte sie von sich fort, dann versetzte er ihr mit der rechten Faust einen Hieb ins Gesicht. Zähne splitterten. Die Frau versank im Wasser. Thomas war bestürzt über das, was er getan hatte, zugleich verspürte er Erleichterung, dass er sich nicht mehr um diese Frau kümmern musste. Er preschte in den Flur hinaus und ignorierte die Rufe, die seine beiden Begleiter ihm hinterherschickten.
    Farraday hatte die Szene beobachtet. Er hatte nicht helfen können, weil er alle Hände voll mit Bryce zu tun hatte. Der Kranke hatte versucht, sich ins Wasser zu stürzen. Farraday hatte das in letzter Sekunde verhindert. Er wollte sich gerade umdrehen, als die Frau, die Webber niedergeschlagen hatte, aus den Fluten auftauchte. Der Gesichtsausdruck war benommen, aber sie atmete noch.
    Farraday hielt Bryce mit der einen Hand, die andere streckte er nach der Frau aus. Es gelang ihm, die Verletzte zu fassen und zu sich heranzuziehen. Sie ließ ihren Kopf gegen seine Brust sinken. Es war offensichtlich, dass sie ihm vertraute.
    »Gehen wir!« schrie Farraday, zu Webber gewandt. »Wir können hier nichts mehr tun!« Er wies die anderen an, ihm zu folgen, wobei er es vermied, in den hinteren Teil des Krankenflügels zu blicken. Er hatte Angst, dass er dort einen Patienten entdecken würde, den er dann auch noch durch die Flut schleppen musste. Er fand, mit Bryce und der Frau war er ausgelastet.
    Zu viert bewegten sie sich auf die Tür zu. Bryce ließ sich führen. Er wehrte sich nicht, er half auch nicht. Seine Gedanken waren in Aufruhr. Der Konflikt zwischen Leben und Tod. Bryce hatte eine wichtige Erfahrung gemacht. Sterben war nicht schwer.
    War es nicht doch ein bisschen grauslich?
    Wirklich nur ein kleines bisschen.
    Aber viel besser, als zu leben und zu leiden, oder?
    O ja. Leben und leiden, das ist wirklich das Schlimmste, was man sich vorstellen kann.
    Vergessen wir auch nicht, dass es mit der Würde eines Menschen unvereinbar ist, wenn er wahnsinnig wird.
    Ganz recht. Das dürfen wir nicht vergessen.
    Sterben ist schön, nicht

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