Domfeuer
Holzdecke lichterloh in Flammen. Die beiden schweren vergoldeten Leuchter glänzten im Schein des Feuers. Es war ein funkelnder Lichtertanz.
Gold. Wie hatte er das vergessen können? »Der Schrein. Bringt den Goldschrein in Sicherheit, alle Mann zum Schrein der Heiligen Drei Könige!«
Der Jubel verebbte. Als die Helfer Gerhards Blick folgten, verstanden die meisten, was der Kathedrale drohte. Gerhard rannte los, geradewegs durch den Dom hinüber zum Westchor, in Richtung des Atriums. Ein Dutzend Männer, die mutig genug waren, unter den brennenden Balken hindurchzulaufen, folgte ihm. Als sie am Atrium ankamen, taumelte Gerhard. Zwei Männer stützten ihn.
Der Schrein war fort. Seine Bewacher waren tot.
Gerhard wandte sich um und sah hinauf zur Decke des Doms. Es schien, als loderte der Himmel über ihnen. Die Flammen vollführten einen teuflischen Tanz, sprangen hin und her, zuckten und zitterten, bis auch der letzte Span gefressen war. Einer der goldenen Leuchter löste sich aus seiner Verankerung und raste zu Boden. Das krachende Klirren des Aufpralls übertönte Sturm und Feuersbrunst.
Gerhard fiel auf die Knie und betete. Die beiden Männer, die ihm eben noch Halt gegeben hatten, zogen ihn zu seinem Schutz gewaltsam fort, weg vom Ort seines größten Versagens.
Die Hitze des Feuers klomm hinauf und sammelte sich unter dem bleiernen Dach des Doms, stieg immer weiter an, bis die Dachhaut ihren Widerstand aufgab und zu schmelzen begann. Die heißen Tränen tropften auf die marmornen Fliesen und benetzten bald den ganzen Boden. Grässlich laut quietschte und ächzte das Dach, als es sich, bereits halb aufgelöst, verformte und dem Boden entgegensenkte. Mit einem Krachen gab es ganz nach. Im Fallen durchbrach es die Reste der Balkendecke, riss Mauern und den zweiten Leuchter mit sich und knickte mächtige Säulen wie dürre Stöckchen um. Mit einem klatschenden Getöse schlug das Dach auf den Fliesen auf, gefolgt von Steinquadern, Balken und herabsegelnden Funken. Regentropfen verdampften zischend auf dem glühend heißen Metall, das auf dem Marmor zerfloss.
Die beiden Männer setzten Gerhard in sicherem Abstand im Domhof ab. Die Hitze des Feuers brannte noch immer auf seiner Haut. Wieder sank er zu Boden. Der Dom lag in Trümmern. Wer nur konnte das gewollt haben? Und wer nur hatte den Schrein gestohlen?
Gerhard hockte da und starrte in das Inferno aus Regen, Rauch und Flammen. Mit schwacher Stimme gab er Anweisungen, doch niemand hörte ihm zu. Die Männer und Frauen, die im Domhof geblieben waren, schütteten längst Wasser und Erde auf die Flammen, sie zogen brennende Balken aus dem Feuer, um den Brand zu verkleinern. Der Dom war verloren, aber das Feuer sollte nicht noch auf die Häuser ringsherum überspringen. Die Flammen waren eine Gefahr für die ganze Stadt.
Aus großer, großer Ferne mochte der Brand wie ein riesiges Walpurgisfeuer aussehen, ein Maifeuer, dazu gedacht, die bösen Geister des Winters zu vertreiben. In Wahrheit aber war es der Scheiterhaufen, auf dem Gerhards Traum verbrannte. Er war bereit gewesen, sein ganzes Leben in den Dienst des Dombaus zu stellen. Alles hatte er dafür tun wollen, Gottes schönste Heimstatt auf Erden hier in seiner Heimat Köln zu errichten. Doch nun war er bereits gescheitert, bevor er den ersten Stein gesetzt hatte. Wer würde einem Dombaumeister vertrauen, der nicht einmal in der Lage war, eine alte Kirche nach Plan abzubrechen?
Das Schiff war fort. Sie mussten einen riesigen Vorsprung haben. Konstantin schaute sich auf der Hafenmauer um. An der Stelle, an der vor Kurzem noch das Kriegsschiff festgemacht gewesen war, lagen Taue auf dem Kai umher. Die Besatzung musste die Leinen einfach von Bord geworfen haben. Doch das waren die einzigen Spuren einer hastigen Flucht. An die Herren von Madras erinnerte sonst nichts mehr im Hafen. Auf der Hafenmauer waren kaum Menschen, fast alle Fischer, Schiffer oder Lastenträger waren in die Stadt gegangen, um den einstürzenden Dom zu sehen. Die Kähne, Fähren und Boote aber, die der grandiosen Sicht auf die Kathedrale wegen auf den Rhein hinausgefahren waren, kehrten nun, getrieben vom Sturm, in den Hafen zurück. Auch an der Stelle, an der das Kriegsschiff gelegen hatte, machten Boote fest.
Konstantin lief zu zwei Fischern, die ihre Aak, einen kleinen Segler, mit Mühe an der Kaimauer vertäuten. »Habt ihr das Kriegsschiff gesehen?«
Die Fischer kämpften mit Tauen und Knoten. »Büttel, siehst du nicht, dass wir
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