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Domfeuer

Domfeuer

Titel: Domfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Vlaminck
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konnte er seine Mutter und Matthias rächen und sich selbst Genugtuung verschaffen. Und so lief Paulus, so schnell ihn seine Beine trugen.
    Nach etwa einer Meile verweigerten seine Muskeln den Dienst, seine Lunge brannte und seine Seite stach. Als er beinahe auf den vom Regen glitschigen Knüppeln ausglitt, blieb er stehen und stützte sich mit den Händen auf die Knie. Paulus’ Herz pumpte.
    Da hörte er Hufgetrappel in seinem Rücken. Er drehte sich um – und sah Jenne, die auf einem Kaltblut herangeritten kam. An einem Strick führte sie ein zweites Treidelpferd mit sich. Sie kam ihm schon wieder zu Hilfe. Wie oft hatte sie ihm nun schon aus der Patsche geholfen?
    »Du bist allein?«, fragte er. »Wo ist der alte Büttel mit seinen Männern? Wieso bist du schneller als sie?«
    Jenne brachte die Pferde neben ihm zum Stehen. »Nicht ich bin schneller, der alte Büttel war es. Bevor ich mich bemerkbar machen konnte, ist er schon mit einer Truppe Reiter den Rhein hinuntergeritten. Wir sind auf uns gestellt, Paulus. Kannst du reiten?«
    »Auf einem Esel schon.«
    »Das genügt.« Sie warf ihm den Strick zu. »Steig auf!«
    Paulus’ Blick fiel über Jennes Schulter. Eine gewaltige Rauchsäule erhob sich über der Stadt, wand sich empor und vermischte sich am Himmel mit den dunklen Gewitterwolken.
    »Oh mein Gott.«
    Jenne sah zurück. Doch nur kurz, dann wandte sie sich wieder Paulus zu. »Jetzt steig schon auf. Irgendwann werden die Treidler merken, dass ihnen zwei Pferde fehlen.«
    Paulus und Jenne ritten flussaufwärts. Sie kamen schlecht voran. Der Regen hatte aufgehört, doch er hatte auf dem Weg viele Schlammlöcher hinterlassen, und ihre Pferde waren seit Jahren nur den Treideltrott gewohnt und mit Schlägen, Tritten oder gutem Zureden nur zu einem Trab zu bewegen. In seiner Not rief Paulus den heiligen Georg an. Doch auch sein Flehen zum Schutzpatron der Reiter und Pferde blieb ohne Wirkung auf die Tiere.
    Als sie schon eine Weile geritten waren, gab Paulus seinem Rappen lustlos einen Klaps aufs Hinterteil. »Wir werden sie nie einholen«, sagte er.
    »Das werden wir. Sie können auch nicht schneller sein als wir.«
    »Das ist das Schiff des Teufels. Wenn sie nur wollen, segeln sie den Fluss hinauf bis nach Mailand.«
    »Blanker Unsinn. Du hast doch mit eigenen Augen gesehen, dass auf diesem Schiff alles Blendwerk ist. Der Teufel könnte ganz andere Mächte in Bewegung setzen. Sie stehen gewiss schon lange nicht mehr unter Segel, sondern lassen sich treideln.«
    »Oder sie sind schon zur Hölle hinabgefahren. An wie vielen Fischerhütten sind wir nun schon vorbeigekommen? Niemand, den wir gefragt haben, hat das Schiff gesehen. Sag mir, Jenne, warum haben alle einen solch gewaltigen Kahn übersehen?«
    »Weil sich alle Leute vor dem Sturm in ihre Hütten verkrochen haben, darum.« Jenne setzte sich im Sattel auf und sah den Rhein hinauf.
    »Verdammte Mähre«, schrie Paulus und stieß seinem Rappen abermals die Fersen in die Flanken. »Solange unsere Pferde genauso langsam trippeln wie die Pferde, die das Schiff treideln, kommen wir keine Elle näher an sie heran.«
    »Dann nehmen wir eben eine Abkürzung.« Jenne zeichnete mit dem Zeigefinger eine Strecke in die Luft, die sie vom Fluss wegführte. »Der Rhein beschreibt hier einen großen Bogen. Wenn wir ein Stück landeinwärts reiten, schneiden wir ihnen den Weg ab.«
    »Nicht dass wir sie noch überholen.«
    »Wir bleiben in Ufernähe. Der Mast ist so hoch, dass wir ihn immer sehen können.«
    Jenne lenkte ihr Pferd querfeldein, was ihr einige Mühe bereitete, weil es auf dem Treidelpfad bleiben wollte. Doch als auch Paulus’ Rappe den Knüppeldamm verließ, kamen sie bald zügiger voran.
    Weinstöcke und Weiden nahmen ihnen immer wieder die Sicht auf den Rhein. Sie folgten einem Trampelpfad. Er führte sie durch Weingärten hinunter zum Fischerdorf Weiß, das am Ende des Rheinbogens gelegen war. Die Hütten scharten sich um den Sitz eines jungen Ritters namens Reinart, der jedoch nicht mehr war als ein befestigter Hof mit einem großen Tor und einem kleinen Turm. Noch bevor Paulus und Jenne das Dorf erreichten, sahen sie den Mastkorb, der auch die höchsten Dächer und den Bergfried des Rittersitzes überragte. Sie brachten ihre Pferde zum Stehen.
    »Da haben wir sie«, sagte Jenne. »Und was machen wir nun?«
    Paulus Herz schlug schneller. Nox war fast zum Greifen nah. »Wir beobachten sie nur. Irgendwann merken die Büttel schon, dass sie nicht

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