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Domfeuer

Domfeuer

Titel: Domfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Vlaminck
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der Kaiser den Menschen angetan, nachdem die Stadt sich ergeben hat?«
    Bruno neigte den Kopf zur Seite. Er schien verunsichert. Interesse und Anteilnahme waren sicher nicht die Regungen, die er von einem Kölner erwartet hatte. »Er tat, als wäre er großzügig, und gab vor, ihnen das nackte Leben zu schenken. Gnädiger wäre es gewesen, ihnen einen schnellen und leichten Tod zu bescheren. Als sich die Stadt nach zwei Jahren der Belagerung ergab, hielt der Kaiser ein fürchterliches Strafgericht. Dreihundert der edelsten Bürger mussten vor ihn treten, um ihren Hals ein Strick als Zeichen ihrer Niederlage. Sie übergaben ihm die Banner und Schlüssel der Stadt, auch ihren Fahnenwagen, den Carroccio. Barbarossa ließ den Wagen zerschlagen, er gab die Stadt seinen Truppen zur Plünderung frei. Er befahl, die Mauern und Türme zu schleifen und alle Häuser niederzulegen. Die Mailänder hatten unverzüglich ihre Heimat zu verlassen. Viele Menschen waren so schwach, dass sie nur das mit sich nehmen konnten, was sie am Leibe trugen, andere ließen ihre Kinder zurück, wieder anderen fehlte die Kraft, ihre Häuser zu verlassen. Sie waren der Willkür der Plünderer ausgeliefert. Die Kaiserlichen vernichteten Mailand und hinterließen verbrannte Erde. Die Ländereien ringsherum wurden mit Salz auf Jahre unfruchtbar gemacht, und unsere Olivenbäume, Stolz vieler Generationen, wurden abgeholzt. Des Kaisers Rache stand in keinem Verhältnis zu dem angeblichen Vergehen meiner Stadt. Mailand wollte sich nicht unter einen fremden Herrscher begeben. Mehr nicht. Barbarossa hatte kein Recht, sich über uns zu erheben. Die Stadt Mailand gab es schon sechshundert Jahre bevor der Herrgott uns seinen Sohn gebären ließ. Sollten sich meine Vorväter etwa beugen, wenn tausend Jahre nach Christi Geburt ein Kaiserlein über die Alpen geklettert kommt und meint, unser neuer Herr zu sein?«
    »Aber was haben wir damit zu tun?«, fragte Paulus.
    »Ihr? Alles. Deine kleine Freundin meinte eben, Köln habe die Gebeine der Heiligen Drei Könige als Geschenk erhalten. Das stimmt nicht. Ein Hund hat sie geraubt. Der Kettenhund des Kaisers. Erzbischof Rainald von Dassel, der Kanzler des Reiches, war Barbarossas harte rechte Hand. Er ging mit aller Härte vor, um die Gier seines Herrn zu befriedigen. An den Mailändern, die ihn einst mit Schimpf und Schande aus ihrer Stadt gejagt hatten, nahm er nun nur zu gern Rache. Und Barbarossa dankte ihm seine Rücksichtslosigkeit, indem er ihm die heiligsten Reliquien unserer Stadt überließ. Das ist es, was ihr damit zu tun habt.«
    »Ihr seid verrückt«, sprudelte es aus Paulus heraus. »Meine Eltern waren noch nicht einmal geboren, als das geschehen ist, vielleicht noch nicht einmal meine Großeltern oder gar Urgroßeltern. Nichts haben wir damit zu tun.«
    Brunos Gesicht verzog sich zur Grimasse. Er war wütend, und er machte keinen Hehl daraus. »Und ob ihr damit zu tun habt. Während wir über Generationen in die Knie gezwungen waren, habt ihr den Aufschwung erlebt, der uns vorbehalten gewesen wäre. Die Heiligen, die auf ehrlichem Weg in unsere Stadt gekommen sind, haben euch zu Wohlstand verholfen. Mailand lag im Staub, und Köln stieg binnen weniger Jahre zur Pilgerhauptstadt nördlich der Alpen auf. Heute wird es in einem Atemzug mit Jerusalem, Rom und Santiago de Compostela genannt. Jedes Jahr strömen Abertausende Sünder nach Köln, um hier Vergebung zu erlangen. Sie bringen Spenden, belegen Kammern in Herbergen und decken sich auf euren Märkten ein, sie kaufen Erinnerungsstücke und falsche Knöchelchen von falschen Heiligen – sie füllen die Kassen Kölns. Die Heiligen Drei Könige bedeuten Macht. Macht, die Köln nicht zusteht.«
    »Ich verstehe das nicht«, sagte Jenne. Sie hielt einfach nicht den Mund, und Paulus ärgerte sich, dass er nicht bemerkt hatte, wie sie neben ihn getreten war.
    »Was verstehst du nicht, mein Kind?«
    »Euren Hass, Herr. Ihr scheint wohlhabend zu sein, also kann Euer Groll nicht vom geraubten Reichtum Eurer Familie herrühren. Und selbst erlebt habt Ihr die Unterwerfung Mailands auch nicht. Warum seid Ihr willens, viele Menschen zu töten? Menschen, die genauso unschuldig sind wie die Mailänder, die Ihr nun zu rächen sucht.«
    Bruno lehnte sich gegen die Brüstung des Achterkastells und richtete seinen Blick den Fluss hinab. Seine Augen zuckten leicht hin und her. Sie fanden wohl keinen Punkt, den sie fixieren konnten. Paulus vermutete, dass Bruno mit sich

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