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Domfeuer

Domfeuer

Titel: Domfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Vlaminck
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vorsahen. Der Werkmeister, der sie dabei erwischte, musste mit seinem Leben dafür bezahlen. Der Einsturz der Kirche hat wie gewünscht ein Chaos ausgelöst, das uns Zeit genug verschaffte, den Schrein zu stehlen.«
    »Seinem rechtmäßigen Besitzer zuzuführen«, korrigierte ihn Bruno mit erhobenem Zeigefinger.
    Nox nickte. »Und ich tat noch etwas. Ich suchte mir ein windiges Kerlchen, das gierig genug war, für ein paar Münzen seine Mutter zu verkaufen. Jemanden, der kundig genug war, mir einen Sündenbock zu vermitteln.«
    Paulus wurde hellhörig. »Einen Sündenbock?«
    »Ja. Einen Menschen, der mit möglichst vielen der Kaufleute in Verbindung steht.«
    Paulus sah den Hünen an. Wenn er Nox gerade richtig verstanden hatte, dann war er ganz gezielt ausgewählt worden, um als falscher Verdächtiger dazustehen.
    Nox legte die Hände auf seine Hüften. »Dein Bruder Matthias hat alles darangesetzt, dich im Hafen mit mir zusammenzuführen.«
    Paulus’ Knie fühlten sich an wie schmelzendes Wachs. Jenne griff nach seiner Hand. Matthias sollte ihn verraten haben? Sein Bruder? Paulus versuchte, Haltung zu bewahren und sich nichts anmerken zu lassen. Es schien ihm nicht zu gelingen. In Brunos und Nox’ Augen las er Zufriedenheit. Sie grinsten. Sie genossen, wie er litt. Paulus erwiderte den Druck von Jennes Hand.
    Konstantin ritt mit dem Wind, so schnell, dass er die anderen Reiter schon abgehängt hatte. Seine Gedanken rasten noch schneller. Paulus hatte ihm berichtet, dass sich an Bord der Kogge kein Pfeffer befand – nur Pech und Reisig. Es gab nur einen logischen Schluss: Die Mailänder wollten Köln in Brand setzen. Was half seiner Stadt die höchste Mauer gegen einen solch ausgeklügelten Angriff? Nein, nicht ausgeklügelt.  Hinterhältig  war das treffendere Wort. Denn es hatte in den vergangenen Jahren keinen Krieg, nicht einmal eine Kriegserklärung, geschweige denn eine Missstimmung zwischen Köln und Mailand gegeben. Zumindest war Konstantin nichts bekannt.
    Er begriff den Hass nicht, der die Menschen auf dem Schiff antrieb. Niemand von ihnen, selbst nicht der tattrige Greis, konnte die Belagerung Mailands und den Raub der Gebeine erlebt haben. Das war zu lange her. Warum also stellte sich dieses Häuflein Mailänder gegen Tausende Kölner? Warum nahmen sie in Kauf, dass es zu einem neuen Krieg kam? Genau das würde die Konsequenz aus diesem Angriff sein. Und warum kehrten die Mailänder zurück, um die Stadt in Schutt und Asche zu legen, obwohl sie doch den Schrein bereits in ihre Hand gebracht hatten?
    Konstantin dachte verzweifelt nach. Was vermochte er schon auszurichten? Der Wind wehte wieder vom Rhein her auf die Stadt zu, also konnte er kein Schiff unter Segeln auf den Fluss schicken. Und ein ausreichend großes Ruderboot, das es mit der Kriegskogge aufnehmen konnte, war auf die Schnelle nicht aufzutreiben, geschweige denn zu bewaffnen und mit Männern zu besetzen. Ihm blieb nur eines – er musste durch die Viertel an der Hafenmauer reiten und die Kölner warnen, dass man ihnen den roten Hahn aufs Dach setzen wollte.
    Er erreichte den Bayenturm, das erste Bollwerk der Stadt am Rheinufer, und ließ sein Pferd in Trab fallen. Kurz bevor er durch das Tor der Hafenmauer ritt, zog er die Zügel an und brachte das Pferd jäh zum Stehen. Konstantin sah am Werthchen vorbei auf den Rhein hinaus.
    Die schwimmenden Mühlen.
    Konstantins Einfall war so verrückt wie verzweifelt. Er passierte das Tor, ritt an den Obstgärten vorbei, die in diesem Teil der Stadt am Rheinufer standen, und fand schnell, was er suchte. Eine Esche.
    Matthias. Sollte sein eigener Bruder ihn hintergangen und in einen Hinterhalt gelockt haben? Die Erinnerungen an jenen Abend liefen durch Paulus’ Kopf. Matthias, der mit aller Macht im Hafen bleiben wollte, um dort zu feiern und bloß nicht in einem Gasthaus im Hafenviertel. Matthias, der sich das Schiff ansehen wollte. Matthias, der immer lauter zu grölen begann, so laut, dass niemand sie überhören oder übersehen konnte. Matthias, der ihn auf die Wange küsste. Ein Judaskuss.
    Sein Bruder war gar nicht betrunken gewesen. Er hatte einzig und allein Nox bemerkbar machen wollen, wo sie waren.
    »Und wenn statt meiner Barthel Euch geführt hätte?«
    »Dann hätte ich auch einen guten Schuldigen gehabt, denn ihr seid ja alle Brüder. Mir war’s gleich.«
    »Wie viel habt Ihr Matthias für seine Dienste gegeben?«
    Nox streckte den Rücken durch und sah nun noch etwas tiefer auf

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