Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Domfeuer

Domfeuer

Titel: Domfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Vlaminck
Vom Netzwerk:
auf. »Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, sie haben Waffen auf den Kastellen aufgebaut.«
    »Waffen? Was für Waffen?«
    »Katapulte.«
    »Das ist doch lächerlich«, rief einer der anderen Männer. »Gegen unsere Stadtmauer vermögen so kleine Katapulte doch nichts auszurichten.«
    Konstantin wusste es besser. In der hereinbrechenden Dunkelheit konnte er auch auf die große Entfernung die glühenden Kohlebecken auf den Kastellen des Schiffes leicht erkennen. Die Katapulte mochten zu klein sein, um der Stadt mit Steinen großen Schaden zuzufügen. Aber bewaffnet mit Brandgeschossen, würde ihre Wirkung auf Köln verheerend sein. Konstantin fluchte und wendete sein Pferd, um wieder nach Köln zurückzureiten.
    »Ich bin ein Visconti«, sagte Bruno. »Meine Familie gehörte in den Jahren vor meiner Geburt zu den aufstrebenden Geschlechtern Mailands. Wir waren im Begriff, den Torrianis die Vorherrschaft in der Stadt streitig zu machen. Es stand außer Frage – wir hätten die Macht über Mailand übernommen. Doch dann kam euer Kaiser.  Euer  Kaiser. Er meinte, unsere Stadt unter seine Knute zwingen zu müssen. Er meinte, die gesamte Lombardei gehöre unter seine Herrschaft. Er meinte, die ganze Welt müsse nicht dem Papst in Rom, sondern seinem eigenen Gegenpapst die Treue halten.« Der alte Mann schüttelte den Kopf, als sei ihm das Machtstreben des Kaisers noch heute unbegreiflich. »Warum seid ihr nicht auf eurer Seite der Alpen geblieben?«, fuhr er Paulus an. »Was hattet ihr nur bei uns zu suchen?«
    »Ich weiß von diesen Dingen nichts«, sagte Paulus. Doch es interessierte ihn. Er wollte wissen, warum Ereignisse in einem fernen Land und vor einer langen Zeit sein Leben so auf den Kopf hatten stellen können.
    Bruno sah Köln entgegen. »Die stolze Stadt Mailand stand gegen den Kaiser auf. Sie verweigerte ihm die Gefolgschaft. Und sie bezahlte teuer dafür. Ich kann meinen Vätern den Widerstand nicht verdenken. Sie wollten sich nicht einem Mann unterwerfen, den sie nicht als ihren Herrscher ansahen.«
    »Was ist geschehen?«, fragte Jenne.
    Paulus schob sich vor sie und hoffte inständig, dass sie seine Bewegung richtig deutete. Sie sollte sich besser nicht in das Gespräch einmischen. Bruno hatte nur ihn als Überbringer der Botschaft an die Kölner bestimmt, nur ihn also würden die Mailänder daher mit Gewissheit laufen lassen. Jennes Leben war in ihren Augen sicher nichts wert.
    »Willst du mir allen Ernstes weismachen, du wüsstest nicht, was damals geschehen ist?«, fragte Bruno.
    Sie zuckte mit den Schultern. »Ich weiß, dass Mailand erobert wurde. Dass Köln die Gebeine der Heiligen Drei Könige als Geschenk erhalten hat.«
    »Erobert! Als Geschenk erhalten!«, fuhr Bruno auf. »Mailand ist nicht erobert worden. Feige ausgehungert hat Barbarossa die Stadt. Es war kein Krieg gegen die waffenfähigen Männer der Stadt, es war ein Verbrechen an Frauen, Kindern und Greisen. Die Belagerung währte Monate, die Menschen verfielen zu lebenden Leichen, dürre Skelette wankten durch die Gassen. Erst aßen sie die Hunde und Katzen. Dann aßen sie Ratten und Mäuse. Dann das Ungeziefer. Dann die Kleider, die sie am Leib trugen. Dann das Holz ihrer Häuser. Zuletzt, als nichts mehr da war, das sie hätten kauen können, fielen einige übereinander her und aßen sich gegenseitig. Ihre Toten brachten die Mailänder nachts vor die Stadtmauer, wo sie sie heimlich begruben. Doch die Kaiserlichen scharrten sie wieder aus und schossen die Leichen mit Katapulten zurück in die Stadt hinein. Es war unmenschlich. Es war, als hätte ein Heer von Teufeln vor der Stadt gelegen.«
    »Aber sind das nicht Dinge, die in jedem Krieg geschehen?«, warf Paulus ein. Er musste Brunos Augenmerk wieder von Jenne auf sich lenken. Nox stand bereits grinsend hinter Bruno. Der Schlächter wartete sicher nur auf eine Gelegenheit, sich an Jenne zu rächen. »Die Mailänder hätten sich doch jederzeit ergeben können.«
    »Und dann? Was dann?«
    »Der Kaiser hätte gewiss Gnade walten lassen.«
    Bruno lachte ein kehliges Lachen. »Gnade? Ha! Die Mailänder haben sich in der Tat doch noch ergeben, aber nicht einmal gegen die erbärmlichen Gestalten, die ihm aus der Stadt entgegenzogen, hat Barbarossa Gnade walten lassen. Wie erst wäre er mit den Mailändern umgegangen, wenn sie ihm erhobenen Hauptes begegnet wären?«
    Paulus trat einen Schritt näher auf Bruno zu. Der Mailänder hatte Jenne nun nicht mehr im Blick. »Was hat

Weitere Kostenlose Bücher