Domfeuer
dieses Bewusstsein zurück.«
»Dass Ihr Köln noch zerstören und die Heiligen Drei Könige holen müsst, ist Euch recht spät wieder in den Sinn gekommen.«
Bruno nickte und lachte. »Ich stimme dir zu. Weil ich so sehr danach gestrebt habe, die Viscontis zu alter Macht und neuem Glanz zu führen, habe ich es immer wieder aufgeschoben. Ich habe doch Zeit, sagte ich mir immer. Selbst als meine alten Knochen zu knacken begannen und meine Augen nicht mehr so weit sehen konnten, fühlte ich mich noch nicht in der Pflicht und verdrängte mein Versprechen. Mir fehlte ein Plan, eine Idee, wie ich das Gelübde einlösen konnte. Ein Heer aufzustellen, war mir nicht möglich. Dafür reichte der Wohlstand, den ich mir erarbeitet hatte, denn doch nicht. Und allein gegen Köln zu ziehen, hielt ich für aberwitzig. Aber die Gelegenheit kam doch noch. Vor einigen Monaten tauchten drei Kölner Kaufleute in Mailand auf.«
Nun dämmerte es Paulus. »Mummersloch, Gir und Quatermart.«
»Wie gesagt, du bist ein helles Köpfchen. Geschäfte wollten sie machen, neue Handelspartner kennenlernen. Ich habe sie empfangen und bewirtet, so wie ich alle Kaufleute aus den rheinischen Landen empfangen habe, weil mich Nachrichten aus Köln immer ganz besonders interessierten. Deshalb habe ich sogar eure Sprache gelernt, was unter Kaufleuten aber nichts Ungewöhnliches ist. An den Geschäften der drei Herren hatte ich kein Interesse, heuchelte dennoch Verhandlungsbereitschaft. Zugleich habe ich versucht, ihnen mehr über ihre Heimatstadt zu entlocken. Als ich erfuhr, was ihr Kölner in diesem Jahr plant, wusste ich, dass die Gelegenheit, mein Gelübde zu erfüllen, endlich gekommen war. Spät zwar, aber nicht zu spät.«
»Der Dombau.« Paulus schüttelte den Kopf. Ausgerechnet der Versuch, Köln noch schöner zu machen, sollte der Auslöser für die Vernichtung der Stadt sein?
»Beinahe. Nein, ich meine nicht den Dombau, sondern den teilweisen Abbruch des alten Doms. Dieses Ereignis hat mir nun endlich die Möglichkeit geboten, die Gebeine der Heiligen Drei Könige wieder nach Mailand zurückzubringen. Die Gebeine und sogar den Schrein, den ich als geringen Schadenersatz ansehe für das Leid und die Verluste, die wir erlitten haben.« Bruno warf den Kopf in den Nacken und lachte wieder sein kehliges Lachen. »Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie viel Freude es mir bereitet, das große Köln mit solch einem Schmierentheater in die Knie zu zwingen. Ein umgebautes Schiff, eine Sänfte, ein paar Hände voll Pfeffer, ein kleiner Sack mit Münzen, acht Mohren, angeheuert im Hafen von Venedig, ein Löwe, wie ihn viele Italiener mit Handelsbeziehungen nach dem nördlichen Afrika als Haustier halten, dazu noch ein gedungener Mörder und meine beiden Enkel – mehr braucht es nicht, alle Kölner hinters Licht zu führen und ihre Stadt zu zerstören. Diese Erniedrigung ist meine große Genugtuung.«
»Ihr habt Mummersloch, Gir und Quatermart nur deshalb umbringen lassen, weil Ihr fürchten musstet, von ihnen erkannt zu werden.«
Bruno zögerte kurz. Wieder sah er den Fluss hinab, wieder flackerten seine Augen. Dann aber sagte er mit fester Stimme: »So ist es. Ich wollte unseren kleinen Betrug aus nächster Nähe erleben. Um meinen Auftritt zu ermöglichen, mussten sie aus dem Publikum verschwinden.«
Feige Morde waren es, dachte Paulus. Und ihm waren sie in die Schuhe geschoben worden.
Bruno schien seine Gedanken lesen zu können. Er zuckte mit den Schultern. »Das war nicht meine Entscheidung. Betrachte es als Fügung des Schicksals. Nur deswegen stehst du nun hier an Deck dieses Schiffes – und bist nicht innerhalb der Mauern Kölns. Dort würde dich vielleicht gleich der Tod ereilen. Ich habe es im Übrigen nicht dabei belassen, die drei Kaufleute aus dem Weg zu räumen. Um den Schrein der drei Magier heimführen zu können, bedurfte es eines ausreichend langen Augenblicks der Ablenkung.«
Bruno nickte Nox zu, der sich vor Paulus und Jenne stellte und sie angrinste. Paulus begriff, was nun kommen würde. Auch Nox’ Ausführungen sollten zu der Botschaft gehören, die er den überlebenden Kölnern übermitteln sollte.
»Ich bin schon vor einigen Wochen nach Köln gereist, um die nötigen Vorbereitungen zu treffen«, sagte Nox. »An meiner Seite war eine Handvoll guter Männer, die sich auf der Dombauhütte zur Arbeit meldeten. In den Nächten unterhöhlten sie heimlich und in unserem Auftrag den alten Dom weit mehr, als es die Pläne
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