Domfeuer
zu drei Häusern führen? Das ist ein fürstlicher Lohn, Herr.« Paulus wählte auch weiterhin die höfliche Anrede, denn er sah sich nun in Diensten des Fremden.
»Ich gebe dir eine zweite, sobald du deinen Auftrag erfüllt hast.«
Paulus’ Beklemmung machte einem anderen Gefühl Platz. Er wollte es nicht Habgier nennen. Er sah nur plötzlich die Gelegenheit, seinem Ziel ein bisschen schneller näher zu kommen. Wollte er sein Liebchen heiraten, musste er sparen, sparen, sparen. Zwei Silbergroschen waren ein Geschenk Gottes, auch wenn sie aus der Hand dieses unheimlichen Fremden kamen.
»Also gut, sagt mir, wohin ich Euch führen soll.«
Der Mund des Mannes verzog sich in die Breite. Das Lächeln stand ihm noch immer nicht gut zu Gesicht. »Kennst du Hartmann Gir, Hermann Mummersloch und Gerhard Quatermart?«
Paulus nickte.
»Dann bring mich zu ihnen.«
Als die letzten Männer aus dem Hafen durch das Trankgassentor getreten waren, schlossen sich die hohen und schweren Flügel mit einem dumpfen Donnern hinter ihnen. Köln war nun sichere Festung und Gefängnis zugleich. Bis zum Sonnenaufgang gab es keinen Weg mehr hinein und keinen mehr hinaus.
»Folgt mir.«
Paulus bog links ab und nahm den Weg die Stadtmauer entlang, am Frankenturm vorbei, der als Gefängnis diente. In der Gasse zwischen der Mauer und den Häusern war es inzwischen so dunkel, dass man kaum die Hand vor Augen sah. Er schritt dennoch zügig aus, denn er kannte die Winkel und Wege an der Mauer, die Köln zum Rhein hin abschloss. Lange hatte er hier gelebt, lange genug jedenfalls, um sich auch in fast völliger Finsternis zurechtzufinden.
Seit fast siebzig Jahren schon bauten die Kölner an ihrer neuen Stadtmauer, und noch immer war sie nicht fertig. Im Halbkreis umgab sie Köln und schloss nun auch viele Stifte und Klöster und deren Felder und Obstgärten ein, so als umfasste Vater Rhein die Stadt mit zwei riesigen Armen aus Stein. Zweiundfünfzig Wehrtürme reckten sich auf der Mauer empor, zwölf gewaltige Torburgen – wie im himmlischen Jerusalem – wachten darüber, wer die Stadt betrat oder sie verließ. Zum Hafen hin gewährten zweiundzwanzig Tore und Pforten Einlass. Eine gewaltige Mauer, die nie eingenommen werden sollte.
Und doch war sie schon erobert worden, bevor sie ganz fertig war – von armen Schluckern und zwielichtigen Gestalten, die nicht einmal mehr in Armenhäusern und Hospitälern einen Platz fanden. Die Stützbogen in der Innenseite dienten ihnen des Nachts als Schlafplätze und tagsüber als Wind- und Wetterschutz. Mancher baute sich einen Verschlag aus Brettern in seinen Bogen und durfte sich dann stolz Besitzer einer Wohnung nennen. Jeder Unterschlupf war fest vergeben, die Hackordnung galt es erst dann neu aufzustellen, wenn ein Platz frei wurde, sei es, weil einer der Bewohner sein Glück in einer anderen Stadt suchte oder weil er seinen letzten Atemzug getan hatte. Matthias und Paulus hatten sich damals einen der besten Plätze in der Mauer zum Hafen hin sichern können. Nah am Herzen der Stadt und nah am Tor zur Welt. Als Paulus sich jedoch als Tagelöhner im Hafen verdingte, hatte Matthias ihn irgendwann hinausgeworfen. Wer Geld verdiente, hatte sein Bruder nach übermäßigem Weingenuss gesagt, solle den Ärmsten der Armen nicht die Schlafplätze rauben.
Zu Paulus’ Verwunderung hatte der Unbekannte keinerlei Mühe, ihm trotz des schnellen Schrittes in der unbeleuchteten Gasse zu folgen. Konnte der Mann im Dunkeln sehen? Paulus sollte es recht sein. So konnte er sich sputen und seinen Auftrag rasch erfüllen. Aber Paulus’ Unbehagen wollte sich einfach nicht legen. Mit seiner schwarzen Kleidung verschmolz der Unbekannte völlig mit der Dunkelheit.
Wenigstens bereitete die Aufgabe, die der Fremde ihm gestellt hatte, Paulus keinerlei Schwierigkeiten. Alle drei Ziele lagen nur wenige hundert Schritt voneinander entfernt. Zwei von den drei Kaufleuten, zu denen der Unbekannte gebracht werden wollte, kannte er sogar. Paulus entschied, sich über diesen sonderlichen Zufall nicht weiter zu wundern, schließlich erleichterte er ihm die Arbeit gehörig. Hartmann Gir war Barthels mutmaßlicher Vater, und bei Hermann Mummersloch stand seine Angela in Diensten. Das Anwesen der Quatermarts wiederum war derart prachtvoll, dass kein Kölner es übersehen konnte. Jedermann wusste, wo es stand.
Paulus wollte den Fremden erst zum Ansiedel der Gir nahe am Heumarkt führen, dann weiter stadteinwärts zu Quatermarts an der
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