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Domfeuer

Domfeuer

Titel: Domfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Vlaminck
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Auftritt, und zwischen zwei Bäumen in der Mitte des Platzes hatten Gaukler in Kopfhöhe ein Seil gespannt, um darauf mit wedelnden Armen im Fackellicht hin- und herzuwandern. Paulus fragte sich, wie all die vielen Händler am nächsten Morgen hier noch Platz finden sollten. Sicherheitshalber tastete er nach seinem Brustbeutel mit den Münzen. Erfahrungsgemäß waren in solchen Menschenmengen die Beutelschneider nicht weit.
    Ein Spanferkel, das knusprig braun am Spieß über einem Feuer briet, erinnerte Paulus daran, dass sein Magen seit Stunden keinen Bissen mehr zu sehen bekommen hatte. Seine Hand wanderte vom Brustbeutel zum Bauch, aus dem prompt ein Rumoren zu vernehmen war. Doch der Fremde gab ihm einen leichten Stoß gegen die Schulter.
    »Dafür haben wir keine Zeit. Weiter.«
    Paulus schnaubte. Er hatte ohnehin nicht vorgehabt, seinem Hunger nachzugeben. Je eher er den ungehobelten Klotz los war, desto besser. Und desto eher war er bei Angela.
    »Ein Blick in die Zukunft, werte Herren?«
    Eine alte Frau, die ihr Gesicht hinter einem Schleier verbarg, hatte das Tuch ihres Zelts zurückgeschlagen. Mit einer weit ausholenden Bewegung lud sie in ihre Behausung ein.
    »Ich versichere Euch, Kassandra irrt sich nie«, sagte sie mit einer Stimme, die rauer war als ein Waschbrett.
    Alte Betrügerin. Wenn sie etwas von ihrem Fach verstünde und auch nur einen halben Atemzug weit in die Zukunft schauen könnte, müsste sie doch sehen, dass Paulus und der Fremde stur an ihrem Zelt vorbeigehen würden.
    Doch Paulus hatte sich in den Fähigkeiten der Wahrsagerin getäuscht. Der Fremde, der es eben noch so eilig gehabt hatte, stemmte die Hände in die Hüften. »Na, das sollten wir uns doch nicht entgehen lassen.«
    Bevor Paulus Widerspruch einlegen konnte, schob der Mann ihn an der Alten vorbei ins Zelt. Die rauchschwere Luft im Inneren trieb ihm die Tränen in die Augen. In zwei Kohlebecken brannten Gewürze, die Paulus nicht zu benennen vermochte. Das Zelt schien weit kleiner, als es von außen aussah. Paulus vermutete, dass sich hinter dem schweren Tuch ein weiterer Raum verbarg.
    »Los, setz dich. Das wird ein Spaß«, sagte der Fremde und drückte ihn auf einen dicken Teppich. »Keine Sorge, den Lohn für die Alte übernehme ich.«
    Kassandra hockte sich ihnen gegenüber hin und musterte ihre Kunden. »Auf welche Weise soll ich für Euch in die Zukunft schauen? Ich beherrsche alle magischen Künste, die Ihr Euch vorstellen könnt. Wenn Ihr wollt, beobachte ich für Euch, wie meine Hühner fressen, und deute daraus Eure Geschicke. Oder ich schaue für Euch ins Wasser. Oder ich werfe Weihrauch ins Feuer. Doch wollt Ihr ein wenig mehr Geld ausgeben, lese ich für Euch in der noch warmen Leber eines frisch geschlachteten Tieres. Letztere ist die Kunst der Etrusker und die sicherste Form der Weissagung.«
    »Dann wählen wir die Beschau der Eingeweide.«
    Der Fremde war bester Laune, und die Alte lehnte sich in der Aussicht auf einen üppigen Lohn zu ihnen vor.
    »Ich hoffe, das Wissen um Euer Schicksal ist Euch auch etwas wert.«
    Er warf ihr eine Münze zu, die sie erst ausgiebig prüfte. Dann nickte sie zufrieden und hob ihren Schleier. Ihr Gesicht war so hässlich und runzlig, dass Paulus wünschte, sie hätte es nicht getan.
    »Wollt Ihr etwas Bestimmtes wissen? Wie es in Liebesdingen steht, vielleicht? Oder wollt Ihr erfahren, ob Ihr Feinde habt, die etwas gegen Euch im Schilde führen?«
    Der Fremde schien belustigt, und Paulus glaubte in den Augen der Alten Verunsicherung lesen zu können. Es wunderte ihn nicht.
    »Nichts dergleichen, alte Hexe. Meinem jungen Freund hier aber kannst du einen Gefallen tun. Sag ihm, was er in dieser Nacht erleben wird. Mehr wollen wir nicht wissen.«
    Kassandra sah ihn fragend an.
    »Das wirst du doch wohl können. Nur ein paar Stunden sollst du ihm voraussagen, mehr verlange ich nicht.«
    »Die Innereien vermögen die großen Wendungen im Leben eines Menschen zu zeigen. Ob deinem Freund in einer Stunde ein Kieselstein im Weg liegt, gehört sicher nicht dazu.«
    Der Fremde beugte sich vor. »Und wenn ihm in der nächsten Stunde eine große Schicksalswende bevorsteht? Wirst du das in einer blutigen Leber lesen können?«
    Sie kniff die Augen zusammen. »Gewiss.«
    »Bestens. Nur zu. Sag ihm, ob er heute Abend als glücklicher Mensch einschlafen wird oder als Verfluchter.«
    Die Alte erhob sich und verschwand durch einen Vorhang.
    Paulus fühlte sich alles andere als wohl in seiner

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