Domfeuer
nahm die Botschaft persönlich entgegen.
Zu Paulus’ Verwunderung sah der Kaufmann jedoch immer öfter zu ihm herüber, je länger Nox auf Mummersloch einredete. Paulus wandte sich um. Nein, in dem schmalen Durchgang Richtung Quatermarkt war niemand. Zweifelsohne hatten die beiden Männer ihn im Blick. Seine Unsicherheit wuchs auf ein unerträgliches Maß, als die beiden dem Haus den Rücken kehrten und geradewegs auf ihn zukamen. Irgendetwas stimmte hier nicht. Die Worte der Wahrsagerin kamen Paulus wieder in den Sinn. Weg, nur weg, rief der Mahner in seinem Kopf. Doch just in dem Augenblick, als er Fersengeld geben wollte, sah er den Ausdruck in Mummerslochs Gesicht. Der Tuchhändler lächelte. Er lächelte ihn an. Paulus zögerte. Schon war es zu spät für eine Flucht.
»Seid mir gegrüßt, mein Herr«, sagte Mummersloch. »Ich höre, Ihr habt frohe Kunde für mich.«
Was ging hier vor? Paulus sah von Mummersloch zu Nox und wieder zurück.
»Ich fürchte, ich bin Euch eine Erklärung schuldig.« Nox packte Mummersloch an der Schulter. Der Griff war offenbar so fest, dass der Kaufmann nun seinerseits in Unruhe verfiel. Das Öllicht in seiner Hand flackerte unruhig.
»Was soll das? Ihr sagtet doch …«
»Ich weiß, jedoch musste ich zu einer kleinen Notlüge greifen.« Nox langte in seinen Mantel und zückte etwas, das aussah wie eine kurze Klinge.
Paulus war wie gelähmt. Mummersloch wand sich unter Nox’ Griff, vergeblich.
Der Kaufmann schrie. »Zu Hilfe! Überfall! Zu Hilfe!«
Paulus war noch immer zu keiner Regung fähig. Mit offenem Mund glotzte er Nox an, der grinsend dastand und den kreischenden Mummersloch strampeln ließ. Inzwischen erschien die Magd wieder in der Tür, und auch im Gesindehaus waren Schritte und Rufe zu vernehmen. Irgendwo auf dem Hof bellte ein Kettenhund, andere Hunde antworteten ihm. Bald würde Hilfe da sein.
Paulus schüttelte seine Starre ab. »Seid Ihr des Wahnsinns?«, rief er.
Er versuchte, nach der Hand zu greifen, in der Nox die Waffe hielt, und schalt sich im selben Augenblick einen Toren. Der Mann war viel größer und kräftiger als er und für das Kämpfen geboren. Wahrscheinlich auch für das Töten. Paulus fing sich eine Backpfeife ein, die ihm Sterne vor die Augen zauberte. Noch während er zu Boden ging, fragte er sich, mit welcher Hand Nox sie ihm verpasst haben mochte. Währenddessen zog Nox Mummersloch zu sich heran, die Waffe noch immer in der rechten Hand schwingend. Mummersloch zappelte wie ein Fisch am Angelhaken und ließ die Lampe fallen. Sie zerbarst mit einem Klirren, und das Licht erlosch. Finsternis umgab die drei und eine fast unnatürliche Stille.
Dann erklang Nox’ Stimme, so kalt, dass Paulus trotz der Abendschwüle ein eisiger Schauer den Rücken hinunterlief. Es war, als hätte der Fremde sich wieder in einen anderen Menschen verwandelt.
»Ich bin gekommen, um dies und nichts anderes zu sagen. Ich bin der Bote meines Herrn, der sich Bazobo nennt. Und dies ist seine Botschaft.«
Paulus ahnte, was nun folgen würde. Einen Augenblick lang erwog er zu flüchten. Aber er rappelte sich auf, um Mummersloch zu Hilfe zu eilen. Paulus kam zu spät. Mummersloch schrie wieder auf, doch es sollte das Letzte sein, was er in seinem Leben tat. Nox rammte ihm die Klinge in den Hals.
Das Schreien des Kaufmanns ging in ein gurgelndes Geräusch über, als Nox ein zweites Mal zustach. Etwas Warmes und Nasses spritzte in Paulus’ Gesicht. Blut. Es war so viel, dass er sich die Flüssigkeit aus den Augen reiben musste. Den Geräuschen nach führte Nox die Klinge hin und her, so lange, bis Mummersloch zu zappeln aufhörte. An der Hand des Mörders hing nur noch ein schlaffer Körper.
Paulus wollte nun selbst um Hilfe rufen, doch Nox warf ihm den toten Mummersloch in die Arme, sodass er mit der Leiche zu Boden ging. Unter der Last des Toten blieb ihm kurz die Luft weg, und als er wieder atmen konnte, stand Nox breitbeinig über ihm, ein schwarzer Schatten vor einem funkelnden Sternenhimmel. Paulus war sich sicher, dass dieses Ungeheuer grinste. Er wollte den Leichnam von sich hinunterschieben, aber es gelang ihm nicht. Warmes Blut durchnässte sein Hemd.
Ganz langsam beugte sich Nox zu ihm herab und bewegte die Klinge auf ihn zu. Paulus konnte sich noch immer nicht bewegen. Er schloss die Augen. Er erwartete den Tod. Sollte er den heiligen Achatius anrufen, den Helfer bei Todesangst? Oder doch lieber den heiligen Christophorus, den Helfer gegen den
Weitere Kostenlose Bücher