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Domfeuer

Domfeuer

Titel: Domfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Vlaminck
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Augenblick starr vor Schreck. Dann hielt er sich die Hände schützend vors Gesicht. Die Menge stob auseinander.
    Barthel schreckte aus dem Schlaf. Er rieb sich peinlich berührt die Augen und nahm schnell Haltung an. Als Müller der Summus war er bekannt im Hafen, und es passte nicht zu einem Mann seiner Stellung, wie ein Müßiggänger auf der Kaimauer herumzulungern. Barthel fluchte leise vor sich hin und schüttelte den Kopf. Er musste eingenickt sein in der dunklen Ecke hinter dem Karren, die ihm als gut geschützter Beobachtungsposten diente.
    Doch jetzt hatte ihn Lärm auf der Hafenmauer aus dem seligen Schlummer gerissen. Nun waren laute Geräusche im Hafen beileibe nichts Ungewöhnliches, weshalb Barthel zunächst an eine Prügelei unter Schiffern dachte. Oder auch an den lautstarken Protest einer Besatzung gegen den Entschluss von Weinrödern, eine Schiffsladung mit verdorbenem Wein in den Rhein zu kippen, was gar nicht mal selten vorkam. Dann aber sah er, wie vor der Kogge, die er im Blick hatte behalten wollen, Menschen wild durcheinanderliefen. Abermals rieb er sich die verschlafenen Augen, weil er ihnen nicht trauen wollte. Doch der Anblick blieb derselbe – Männer und Frauen rannten wie hakenschlagende Hasen umher, und unter ihnen sah Barthel auch einige der reichsten Bürger Kölns. Was in drei Teufels Namen war dort los?
    Wenn er sich nicht täuschte, sah er auch noch jemanden, dem er auf gar keinen Fall hier und zu dieser Stunde begegnen wollte. Barthel kroch näher an das Karrenrad, um nicht entdeckt zu werden. Der Dompropst war sein Dienstherr. Und auch wenn Konrad von Büren gerade anders beschäftigt schien, wäre er doch sicher nicht erfreut, den Müller der Summus schlafend im Hafen anzutreffen.
    Im Gedränge wäre Konstantin beinahe zu Fall gekommen, doch gelang es ihm mit einem Ausfallschritt, sich auf den Beinen zu halten.
    Als der Silberregen zu Boden fiel, klirrte es hundertfach.
    Münzen.
    Sie sprangen umher, rollten davon und hüpften durch die Füße der Flüchtenden, die nach einem kurzen Schreck schnell merkten, dass es keinen Grund zur Furcht gab, sehr wohl aber zum schnellen Handeln. Fix kehrten all jene zurück, die eben noch die Beine unter die Arme genommen hatten. Bis auf die verwundert dreinblickenden Männer der Richerzeche und der hohen Geistlichkeit bückten sich bald alle Menschen nach den Geldstücken. Sie rangelten und schoben, und als einige Münzen auf die Kante der Hafenmauer zukullerten, balgten sich zwei junge Männer derart ungestüm, dass sie eng umschlungen dem Silber hinterher ins Wasser stürzten.
    Das Aufsammeln des Geldes dauerte nur einen kurzen Augenblick. Als die Menschen ihren Blick wieder auf das Schiff richteten, machten sie große Augen. Wie aus dem Nichts war eine Sänfte auf Deck erschienen. Acht Männer hatten die Stangen des mit rot glänzenden Tüchern verhangenen Tragstuhls auf ihre Schultern gehoben. Die Haut der Träger hatte die Farbe von Holzkohle – es waren Mohren. Konstantin hatte schon von den schwarzen Männern gehört, die in fernen Ländern leben sollten, er wusste auch, dass einer der Heiligen Drei Könige ein Mohr gewesen war, aber er hatte noch nie einen Menschen mit solcher Hautfarbe gesehen. Gebannt starrte die Menge auf die nackten Oberkörper der Schwarzen, die glänzten, als seien sie mit einer fettigen Schweineschwarte eingerieben worden. Die Träger standen regungslos an Deck. Ihre Augen fixierten einen Punkt in der Ferne, irgendwo jenseits der Stadtmauer.
    »Heiden!«, flüsterte jemand hinter Konstantin. In der Stimme war die Angst unüberhörbar. »Heiden! Wir sollten in die Stadt fliehen und die Tore schließen.«
    »Dummes Zeug«, gab eine ältere Frau zurück. »Sie haben uns mit Münzen beschenkt. Die werfen doch kein kleines Vermögen auf die Straße, nur um uns danach abzuschlachten. Außerdem sind hier genug Bewaffnete.«
    Konstantin griff unwillkürlich nach dem Messer, das in seinem Rock steckte, und verwünschte sich für seine Bequemlichkeit, der zuliebe er es fast jeden Morgen unterließ, das schwere und sperrige Schwert in seinen Gürtel zu schieben. Er sah zum Dompropst hinüber. Konrad von Büren tat einen Schritt auf das Schiff zu und blieb dann doch stehen. Er war offensichtlich so verunsichert wie alle anderen Menschen auf der Hafenmauer.
    Die Tür des Achterkastells schwang auf. Zwei junge Männer traten an Deck, einer kräftig, der andere feingliedrig gebaut. Beide waren in edle rote Gewänder

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