Domfeuer
freuen«, sagte Theoderich Gir, dessen Gedanken offenbar den gleichen Weg gegangen waren wie die Konstantins. Dann entschwand der Schöffe in Richtung Dompropst.
Konrad von Büren und einige Männer der Richerzeche und des Domkapitels steckten die Köpfe zusammen und sprachen angeregt miteinander, auch Gir beteiligte sich an der Beratung. Der Wortwechsel dauerte nur kurz. Dann nahmen die Mohren die Sänfte wieder auf und trugen sie, angeführt vom Dompropst, durch das Trankgassentor. Nahezu alle Menschen, die das Spektakel im Hafen verfolgt hatten, folgten ihnen.
»Jedes Geschenk hat seinen Preis«, sagte Gir, als er zu Konstantin zurückgekehrt war. »Der Herr Bruno möchte ein wenig herumgeführt werden. Ihn treiben der alte Dom, der Dreikönigenschrein und die Dombaustelle um.« Er drückte Konstantin eine kleine schwarze Kugel in die Hand.
Der drehte sie in seinen Fingern und betrachtete sie. »In der Tat, Pfeffer. Nun, wenn dieser Bruno sich in Köln umsehen will, scheint mir das kein unangemessener Wunsch angesichts der Spende, die er zu tätigen gedenkt. Ich folge dem Zug.«
Theoderich Girs Gesichtszüge verformten sich zu einer Miene, die Unverständnis, ja beinahe Empörung zeigte. »Habt Ihr nichts Besseres zu tun?«
Konstantin hob beschwichtigend die Hand. »Ich will Meister Gerhard sprechen, denn ich muss wissen, ob es Neuigkeiten wegen des toten Werkmeisters gibt. Den Mord an Eurem Vater, Herr, habe ich nicht vergessen.«
Der junge Gir nickte. Seine Züge entspannten sich. »Dann tut, was Ihr tun müsst. Ich darf mich verabschieden, denn ich habe eine Trauerfeier vorzubereiten.«
In Gedanken hatte Paulus bereits seine eigene Trauerfeier vorbereitet. Doch gerade als ihm einfiel, dass Hingerichteten ein solcher Abschied gar nicht zustand, sah er seinem Häscher ins feixende Gesicht. Niemand anderes als sein Bruder hatte ihn vor der Badestube am Kragen gepackt.
»Matthias! Du hast mich zu Tode erschreckt!«
»Zu Recht, wie ich finde. Du machst unserer Mutter und mir große Sorgen, kleiner Bruder. Tauchst blutverschmiert auf und verfolgt von Hunden wieder unter. Denkst du kein bisschen an deine arme Familie?«
»Ist das dein einziger Gedanke? Dass ihr euch Sorgen machen müsst? Vielleicht fragst du erst einmal, was überhaupt geschehen ist und wie es mir geht.«
Matthias ging einen Schritt zurück. »Ist ja schon gut, Brüderchen. Ich sehe doch, dass du noch lebst, also wird wohl nicht alles ganz so schlimm sein, wie von Mutter geschildert.«
»Falsch. Es ist noch viel schlimmer.« Paulus wedelte mit den Armen und verzog angewidert das Gesicht, als er Matthias’ Atem roch. »Himmel, Matthias, die heilige Bibiana möge dich von deiner Trunksucht befreien.«
Seinem Bruder war der Einwand nur ein Achselzucken wert. »Ich hatte einen guten Betteltag. Ein Grund zum Feiern.«
»Gehen wir weiter. Ich erzähle dir alles auf dem Weg zum Hafen.«
»Nicht so eilig. Willst du mir nicht deine kleine Freundin vorstellen? Ist das etwa Angela?«
Paulus missfiel das lüsterne Funkeln in Matthias’ Augen, mehr noch aber störte ihn Jennes Gesicht. Erst erwiderte sie Matthias’ Blick mit einem herausfordernden Lächeln, dann sah sie wieder zu ihm herüber mit einem Ausdruck um den Mund, der Paulus vor allem eines sagte: Siehst du …
»Nein, das ist nicht Angela, und das weißt du auch, weil du Angela kennst. Das ist – ach, nun komm schon, du wirst es unterwegs erfahren.«
Paulus drängte sich zwischen die beiden und schilderte auf dem Weg über den Markt, was ihm widerfahren war, seit sie sich am Vorabend getrennt hatten. Sein Bruder brummte immer wieder zustimmend und gab Laute der Überraschung von sich, doch blieb Paulus nicht verborgen, dass Matthias neugierig Jenne musterte. Selbst als er in anschaulichen Bildern berichtete, wie Nox Mummersloch niedergestochen hatte, achtete Matthias mehr darauf, Jenne nicht aus den Augen zu verlieren.
»Entschuldige, Matthias, hörst du mir überhaupt zu?«, fragte Paulus schließlich.
»Gewiss doch, Bruderherz, gewiss doch, erzähle weiter. Ich möchte nur nicht unhöflich sein und deine Begleiterin missachten.«
Als ihn Jenne von der Seite frech angrinste, konnte Paulus vor Zorn kaum noch an sich halten. »Lass die Süßholzraspelei und hör mir endlich zu! Mein Leben geht gerade den Bach runter, und du hast nichts Besseres zu tun, als vor meinen Augen einem Mädchen den Hof zu machen.«
»Herrje, Brüderchen, ich wusste ja nicht, dass es dir so wichtig
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