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Domfeuer

Domfeuer

Titel: Domfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dennis Vlaminck
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Tuch und trocknete sich ab. Dann holte sie den Geldgürtel hervor, den Paulus unter einem Schemel neben dem Zuber versteckt hatte. »Wir sind nicht zum Vergnügen hier. Und allmählich sollten wir verschwinden.«
    Ihre Kleider waren tatsächlich bereits trocken. Jenne und Paulus zogen sie von der Leine, die neben dem großen Heizkessel hing, und schlüpften hinein. Sie beglichen beim Badestuber noch ihre Schuld für das Essen und verließen das Haus durch den Haupteingang. Kein Hund zu sehen.
    »Wir gehen wieder zum Markt«, sagte Jenne und zog ihn weiter. »Dort können wir im Fall des Falles schnell untertauchen.«
    Es waren nur ein paar Schritte bis zu der Stelle, an der sich das Girsgässchen auf den Heumarkt hin öffnete, doch so weit kamen sie gar nicht. Auf halbem Weg legte sich eine harte Hand auf Paulus’ Schulter und drückte fest zu.
    »Hab ich dich endlich.«
    Auf dem Weg zum Hafen wuchs der Zug der Richerzeche. Wie im Kielwasser eines Schiffes folgten Schaulustige den Reichen. Am Kopf des Alter Marktes, an dem die Mühlengasse vorbeiführte, gerieten die meisten Menschen in den Sog. Wenn die Patrizier geschlossen unterwegs waren, würde etwas Ungewöhnliches geschehen, etwas, das es lohnte, dabei zu sein. Durch die Mühlengassenpforte ergoss sich schließlich ein großer Strom aus mehreren hundert Menschen in den Hafen, die sich, wie von unsichtbarer Hand geführt, nach links wandten, rheinabwärts. Als der Zug vor dem Kriegsschiff haltmachte, ging auf der Kaimauer nichts mehr. Die Menge blockierte den zwanzig Schritt breiten Weg, kein Lastenträger, kein Karren, kein Fuhrwerk kam mehr vorbei. Auf dem staubigen Pflaster hatte sich ein Querschnitt der Kölner Bevölkerung versammelt: reiche Kaufleute, Marktfrauen, Gürtelmacher, Tagelöhner, Weber, Fassbinder, Fischer, Brauer, Bauern, Sattler, einige Mönche und Stiftsdamen, doch auch nicht wenige Bettler und Tagediebe.
    Konstantin vergaß seine Ermittlungen augenblicklich, als er das Schiff sah. Es überragte all die Niederländer, die ringsherum vor Anker lagen, sowohl in der Höhe als auch in der Länge. Er verstand, weshalb Bewaffnete auf der Hafenmauer postiert waren. Mit nur je einer Handvoll Bogenschützen auf jeder Plattform ließ sich die Kogge in eine todbringende Kriegsmaschine verwandeln. Es schien ihm keine gute Idee, die edelsten und wohlhabendsten Männer Kölns auf der Hafenmauer vor der Bordwand zu versammeln. Und er betrachtete es als von großem Nachteil, dass sie alle in die Sonne blinzelten.
    Einer wenigstens schien ausreichend Vorsicht walten zu lassen. Der Erzbischof ließ sich nicht blicken, sondern vom Dompropst vertreten. Konrad von Büren stand dem Domkapitel vor, er war nach dem Erzbischof der ranghöchste Geistliche in der Stadt und schob sich an die Spitze des Pulks. Mit einem Nicken bedeutete er dem Hafenmeister, der das Schiff gestern schon in Empfang genommen hatte, an Bord zu gehen. Der Mann leistete der Aufforderung Folge, klopfte dieses Mal gleich an die Tür ins Achterkastell und verschwand darin, nachdem sie sich geöffnet hatte. Er kehrte bereits nach sehr kurzer Zeit an Deck und über die wippende Planke auf die Hafenmauer zurück. Seine geflüsterte Botschaft nahm der Dompropst mit einem Stirnrunzeln entgegen. Konrad von Büren streckte den Rücken und hob das Kinn.
    Dann geschah – nichts.
    Während unter den Wartenden das Gemurmel anschwoll, musterte Konstantin das Schiff weiter. Er nutzte die respekteinflößende Wirkung seiner Amtstracht und schob sich bis in die erste Reihe vor. Eine Brise blähte leicht die Fahne, die hoch am Mast hing, und für einen Augenblick sah Konstantin darauf ein Kreuz mit zwei gleich langen Balken, deren vier Enden sich öffneten wie die Knospen von Blüten. Er kannte das Symbol nicht.
    Das Holz, aus dem die Kastelle gezimmert waren, schien noch recht frisch zu sein, das Schiff selbst hingegen war schon älter. Man hatte es also erst vor Kurzem umgebaut. Doch zu welchem Zweck? An diesem Schiff war alles wunderlich und geheimnisvoll. Die Planke zwischen Bordwand und Hafenmauer etwa war ungewöhnlich breit, wie es Konstantin zuvor noch nicht gesehen hatte. Welche Last sollte darübergetragen werden? Und wo überhaupt steckte die Besatzung?
    Mit einem lauten Rasseln flog plötzlich etwas von Bord des Schiffes in die Luft, verteilte sich über den Köpfen der Wartenden und regnete dann im Gegenlicht der Sonne silbrig vom Himmel. Konstantin riss den Kopf in den Nacken und war für einen

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