Don Camillo gibt nicht auf
entdeckte dabei Peppone. Lächelnd fügte er noch zwei Sätze ein:
«Und nun möchte ich den Herren von der Regierung danken - im Namen des Lehrkörpers. Im Namen der Bürgerschaft wird dies der Herr Bürgermeister tun.»
Damit wies der Redner mit liebenswürdiger Geste auf Peppone, der sofort eine Milliarde Augen auf sich gerichtet fühlte. Dann hörte man die Schlußsalve des Direktors, den Applaus, der dem letzten Pistolenschuß des Redners folgte - und dann gar nichts mehr.
Tatsächlich hielten alle den Atem an, und jeder wartete darauf, daß der Bürgermeister das Wort ergriff.
Alle warteten, und mit Ausnahme der roten Anhängerschaft taten sie das mit diabolischer Freude auf Peppones übliche Stilblüten, über die man dann zwei bis drei Monate lang im Kaffeehaus oder daheim lachen konnte.
Peppone schwitzte vor Aufregung, aber er brachte kein Wort heraus.
«Bitte!» rief der Direktor lächelnd von der Tribüne, «kommen Sie hier herauf ans Mikrofon, Herr Bürgermeister. Darf ich bitten, Platz zu machen!»
Irgend etwas mußte jetzt geschehen.
«Danke, danke», stotterte Peppone. «Ich möchte lieber nicht von der Tribunale...»
Das Publikum jubelte. Die Sache ließ sich großartig an.
Es war ein kalter Novembermorgen, und der Nebel war zwar nicht allzu dicht, aber er drang wie flüssiges Eis in die Lungen. Don Camillo zog seinen Umhang bis an die Augen und drückte seine warme schwarze Kappe tief ins Gesicht.
«Ich möchte lieber nicht von der Tribüne, sondern von hier unten aus sprechen», flüsterte Don Camillos Umhang,
«Ich möchte lieber nicht von der Tribüne, sondern von hier unten aus sprechen», wiederholte Peppone.
Der Umhang: «Denn ich habe mich absichtlich hierhergestellt ...»
Peppone: «Denn ich habe mich absichtlich hierhergestellt ...»
Der Umhang: «... um mich wieder wie früher als
Schuljunge zu fühlen, wie eines von den Kindern, die hier zu Hunderten versammelt sind.»
Und Peppone: «...um mich wieder wie früher als Schuljunge zu fühlen, wie eines von den Kindern, die hier zu Hunderten versammelt sind.»
«In eben diesem Schulhof haben auch wir damals feierlich unsere Bäume gepflanzt. Der Himmel und das Dorf waren zwar wie alle Tage, und doch lag etwas Geheimnisvolles in der Luft.»
Peppone war großartig: Er wiederholte Wort für Wort der langen Tirade, und Don Camillos Umhang soufflierte weiter: «Und unsere alte Lehrerin war bei uns.»
Peppone zögerte einen Moment, dann nahm er seinen Hut ab und sagte mit veränderter Stimme: «Und unsere alte Lehrerin war bei uns.»
«Und heute, nach so vielen Jahren», sagte Don Camillos Umhang ein, «erneuert sich dieses Staunen ...»
Aber Peppone griff es diesmal nicht auf:
«Unsere alte Lehrerin war bei uns, damals, an jenem längst vergangenen Morgen. Die alte Signora Giuseppina, die keiner von uns jung gekannt hat, vielleicht, weil sie nie jung gewesen war. Die alte Signora Giuseppina ist tot, aber sie ist immer noch lebendig, denn sie kann gar nicht sterben, und jetzt ist sie hier, ich fühle, daß sie da ist, da hinten, hinter den Schulkindern, die klassenweise um ihre Lehrerinnen stehen.
Die Signora Giuseppina ist hier, in ihrem gewohnten schwarzen Kleid und mit ihrem gewohnten schwarzen Hütchen auf den weißen Haaren. Mit ihrer gewohnten finsteren Miene. Und hin und wieder fährt ihre kleine, dürre Hand durch die Luft und läßt irgendeinen kurzgeschorenen Kopf die harten Knochen fühlen.»
Die Leute lachten nicht, und Peppone fuhr fort:
«Ja, auch die Signora Giuseppina ist hier, und wie alle anderen Lehrerinnen hat sie ihre Schüler um sich versammelt, Alle sind sie da. Kein einziger fehlt: Diego Perini, der mit acht Jahren unter die Räder eines Karrens kam; Angiolino Tedai, mit sechs Jahren an Typhus gestorben; Tonio Delbosco, mit zweiundzwanzig im Krieg gefallen. Mario Clementi, Giorgino Scamocci, Dante Fretti, Girolamo Anselmi, Giuseppe Rolli, Alvaro Facini... Alle sind da, kein einziger fehlt, alle um die Signora Giuseppina geschart. Und alle, auch die, die mit vierzig oder fünfundvierzig gestorben sind, haben noch ihr Kindergesicht. Alle sind so, wie sie als Schüler gewesen waren. Die Signora Giuseppina hat sie zurückgeholt, einen nach dem anderen, und nach den Regeln der Grammatik bringt sie ihnen nun die Regeln der Ewigkeit bei.
Das ist für mich der Sinn dieser Feier heute morgen, und die kleinen Bäumchen, die ihr Kinder in die Erde pflanzen werdet, sind wie das Band zwischen Tod und Leben:
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