Don Camillo gibt nicht auf
führte. Amilcare, seinerseits Sohn eines Gastwirts, war als Kellermeister geradezu ein Zauberer. Er arbeitete als Ehrenmann der guten alten Zeit, ohne chemisches
Dreckzeug zu verwenden, und beim Verschnitt hatte er das Gespür eines begnadeten Künstlers.
Doch Amilcare Bessas eigentliche Passion war der Weinbau. Er fühlte, daß ihn der liebe Gott zum Winzer geschaffen hatte. Allerdings hätte selbst Raffael, der doch bestimmt zum Maler geboren war, es nicht geschafft, etwas Großes in der Malerei zu leisten, wenn ihm der Besitz einer Leinwand, eines Pinsels und eines bißchen Farbe verwehrt geblieben wäre. Amilcare Bessa, zum Winzer geboren, besaß nur das Haus, in dem er wohnte und in dem sich die Osteria und der Weinkeller befanden. Er führte daher den Beruf seines Vaters weiter und begnügte sich damit, die von anderen erzeugten Trauben zu keltern. Trotzdem gab er den Traum, Winzer zu werden, nie auf, und nach Jahren geduldigen Wartens konnte er ihn tatsächlich verwirklichen: Es gelang ihm, den Garten seines Nachbarn zu kaufen und in einen Rebgarten zu verwandeln.
Einen mehr symbolischen Rebgarten freilich, denn es handelte sich nur um eine Handbreit Land. Aber Amilcare genügte es. Und tatsächlich konnte er nach einer bestimmten Zahl von Jahren seine eigenen Trauben keltern. Seine eigenen Trauben, nicht nur, weil sie aus seinem Weingarten stammten, sondern auch, weil niemand sonst diese Rebsorte hatte.
Die Gesamtproduktion des ersten Jahres betrug zwanzig Flaschen. Amilcare Bessa lagerte sie an der besten Stelle des Weinkellers und wartete voll Vertrauen.
An dem Tag, an dem er sich entschloß, eine Flasche zu öffnen, hatte er vor Aufregung Fieber. Er war allein im Keller, und er zögerte lange, ehe er das Glas an die Lippen setzte.
Aber kaum hatte er einen winzigen Schluck seines Weins gekaut, war es mit dem Zögern vorbei: Er rannte aus dem Keller, spannte das Pferd vor den Wagen und fuhr davon wie der Blitz. In Castellino angekommen, klopfte er an die Tür des alten Notars Barozzi, und als dieser öffnete, sagte Amilcare nur:
«Nehmen Sie Ihren Hut und kommen Sie mit mir!»
Aus Amilcares Erregung ersah der alte Notar Barozzi, daß etwas Wichtiges vorgefallen sein mußte, und erhob deshalb keine Einwände. Auch während der Fahrt machte er den Mund nicht auf. Auf diese Weise fand er sich eine halbe Stunde später im Weinkeller der Osteria, und erst jetzt fragte er:
«Darf man erfahren, worum es geht?»
«Ich brauche ein Gutachten», antwortete Amilcare.
«Worüber?»
«Über meinen Malvasier.»
Der Notar verzog das Gesicht.
«Malvasier!» rief er mit Abscheu. «Zeug für kleine Mädchen!»
Amilcare Bessa kramte in einem Winkel des Kellers und kehrte mit einer Flasche zurück. Er entkorkte sie, goß die ersten Tropfen auf den Boden, schenkte zwei Finger hoch Wein in ein Glas und reichte es dem Notar.
Der wandte sich zur offenen Tür und hielt den Wein gegen das Licht, dann setzte er das Glas an die Lippen und schlürfte einen kleinen Schluck.
Lange wälzte er das Schlückchen zwischen Zunge und Gaumen, wobei er angestrengt nachzudenken schien. Dann nahm er einen zweiten - ausgiebigeren - Schluck zur Bestätigung. Danach gab er Amilcare das leere Glas zurück und verkündete:
«Das ist ein Königswein.»
Der Notar Barozzi, ein Brummbär mit einem goldenen Herzen, war in Sachen Wein die Unnachgiebigkeit in Person. «Ich scheue mich nicht, es zu gestehen», pflegte er zu sagen, «auch wenn von meinem positiven Urteil mein Leben oder das eines anderen abhinge, würde ich nie zulassen, daß ein mittelmäßiger Wein gut genannt wird. Man kann zur Polenta Brot sagen oder zum Brot Polenta, aber zum Wein muß man Wein sagen.»
Und dieser Notar Barozzi hatte gesagt, Amilcares Wein sei ein Königswein!
Es brauchte ein paar Minuten, bis sich der Wirt wieder erholte. Schließlich gelang es ihm zu fragen:
«Was bin ich Ihnen für Ihre Bemühungen schuldig?»
«Ein Glas von deinem Malvasier», antwortete der Notar.
Amilcare dachte ausgiebig nach über das, was ihm der Notar Barozzi gesagt hatte. So kam er eines Tages zu der überaus logischen Folgerung: «Es ist ein Königswein, denn das hat der Notar Barozzi gesagt. Und wer soll ihn dann trinken? Diese ungehobelten Bauernlümmel? Oder der erstbeste, der zufällig hier einkehrt? Wenn es ein Königswein ist, dann soll ihn auch der König trinken!»
Er ging in die Stadt und ließ sich schöne Etiketten drucken mit der Aufschrift: Königsmalvasier
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