Don Camillo und Peppone
Blutdruck wissen wollen, ich habe ihn gemessen. Das ist alles, was ich Ihnen sagen kann.»
Gegen Abend kamen die vier Gendarmen zurück. Keine Spur, keine Indizien, nichts.
«Sehr gut!» grinste Peppone wild, als er dieses Ergebnis erfuhr. «Ab morgen lasse ich auch die Bäckereien schließen. Das Mehl wird verteilt, und die Leute sollen schauen, daß sie sich ihr Brot zu Hause backen.»
Don Camillo wollte ein wenig frische Luft schnappen und saß auf der Bank vor dem Pfarrhaus, als plötzlich Peppone vor ihm stand.
«Hochwürden», sagte Peppone finster und diktatorisch, «rufen Sie den Glöckner und lassen Sie ihn auf den Turm steigen, um die große Uhr zum Stillstand zu bringen. Hier muß alles stehenbleiben, auch die Turmuhr. Ich werde diesen Schuften schon zeigen, wie man einen Generalstreik organisiert.
Alles bleibt stehen!»
Don Camillo schüttelte den Kopf. «Alles bleibt stehen, angefangen vom Gehirn des Bürgermeisters.»
«Das Gehirn des Bürgermeisters funktioniert blendend!» brüllte Peppone.
Und Don Camillo zündete seine halbe Zigarre an.
«Peppone», sagte er sanft, «du glaubst, daß dein Gehirn funktioniert, Tatsache aber ist, daß es deine Parteilichkeit zum Stillstand gebracht hat und es so hindert, dich aufmerksam zu machen, daß du im Begriffe bist, ganz jämmerlich lächerlich zu werden. Das tut mir leid. Wenn ich sähe, daß man dir eine ganze Tracht Prügel auf den Buckel ladet, Gott vergebe mir, es würde mir nicht im geringsten leid tun. Wenn ich dich aber der Lächerlichkeit preisgegeben sehe, schmerzt es mich.»
«Ich schere mich nicht um die Meinung des Klerus!» schrie Peppone. «Die Uhr muß stehenbleiben, oder ich bringe sie mit einer Garbe aus meiner Maschinenpistole zum Stehen!»
In Peppones Stimme und in seinen Gesten lag eine derart verzweifelte Wut, daß sich Don Camillo ganz gerührt fühlte. «Der Glöckner ist nicht da», sagte er und stand auf. «Gehen wir beide hinauf!»
Sie kletterten die Sprossenleiter im Turm hinauf, und als sie in die Uhrkammer gelangten, blieben sie stehen vor dem Uhrwerk, das eines von jenen alten, mit großen Zahnrädern war.
«So», erklärte Don Camillo und zeigte auf ein Rad, «es genügt, dieses Stäbchen dort hineinzustecken, und alles bleibt stehen.»
«Ja, ja, es muß stehenbleiben», rief Peppone, der schwitzte.
Don Camillo lehnte sich an die Wand, neben einem kleinen Fenster, das auf die Felder schaute. «Peppone», sagte er, «ein einfacher Mann hatte einen kranken Sohn, jeden Abend überkam das Kind das Fieber, und das Thermometer stand immer um vierzig herum. Der einfache Mann, der sein Kind sehr liebte und unbedingt etwas für den armen Kleinen tun wollte, nahm das Thermometer und zerbrach es auf dem Boden.»
Peppone fuhr fort, das Uhrwerk zu beobachten.
«Peppone», sagte Don Camillo, «du willst jetzt die Uhr zum Stehen bringen, ich lache aber nicht. Die Idioten werden lachen. Ich fühle mit dir, so wie ich mit jenem Vater fühle, der das Thermometer mit den Füßen zertrat. Peppone, sei aufrichtig: warum willst du die Uhr zum Stehen bringen?»
Peppone antwortete nicht.
Don Camillo sprach mit ernster Stimme. «Du willst die Uhr zum Stehen bringen, weil sie oben auf dem Turm ist und weil du sie tausendmal am Tage siehst. Wohin du auch gehst, die Uhr schaut dich vom Turm an, wie das Auge der Wache vom Turm eines Gefangenenlagers. Und wenn du den Kopf umdrehst und auf die andere Seite schaust, nützt dir das nichts, weil du spürst, wie dir dieser Blick auf dem Nacken lastet. Und wenn du dich zu Hause einsperrst und den Kopf unter dem Kissen vergräbst, dieser Blick durchbohrt die Wände, und die Uhrschläge erreichen dich und bringen die Stimme der Zeit zu dir. Sie bringen dir auch die Stimme deines Gewissens. Wenn du dich vor Gott fürchtest, weil du gesündigt hast, was nützt es dir dann, das Kruzifix unter dem Bett zu verstecken? Gott bleibt und wird dein ganzes Leben lang mit der Stimme deiner Gewissensbisse zu dir sprechen. Es nützt dir nichts, Peppone, daß du die Turmuhr zum Stillstand bringst: die Zeit wirst du nicht aufhalten. Die Zeit läuft weiter. Es vergehen die Stunden, die Tage, und jeder Augenblick ist etwas, das du stiehlst.»
Peppone hob den Kopf und blähte die Brust auf.
«Blähe dich nicht auf, du Ballon voll Rauch!» schrie Don Camillo. «Bring nur die Uhr zum Stehen! Du wirst nicht die Zeit aufhalten: und die Ernte wird auf den Feldern faulen, die Kühe werden in den Ställen dahinsiechen,
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