Don Camillo und Peppone
sein Fehler liegt, müssen Sie ihm dann das sagen oder können Sie darauf pfeifen?»
Don Camillo wurde es verdächtig.
«Wie kannst du überhaupt wagen, die Rechtschaffenheit eines Priesters in Frage zu stellen? Des Priesters erste Pflicht ist, alle Fehler, die ein Sünder begangen hat, klar festzulegen und den Sünder darüber zu belehren.»
«Ist recht», sagte Peppone. «Sind Sie bereit, mein Geständnis entgegenzunehmen?»
«Ich bin bereit.»
Peppone zog ein großes Blatt Papier aus der Tasche und fing an vorzulesen:
«Bürger, indem daß wir die siegreiche Bestätigung unserer Liste begrüßen
...» Don Camillo unterbrach ihn mit einer Handbewegung und kniete vor dem Altar nieder.
«Jesu», murmelte er, «ich bin für nichts mehr verantwortlich!»
«Ich bin verantwortlich», erwiderte Christus. «Peppone hat dich geschlagen, und du mußt den Schlag anständig einstecken und dich pflichtgemäß verhalten.»
«Jesu», flehte Don Camillo geradezu, «bist Du Dir darüber im klaren, daß Du mich für die kommunistische Propaganda arbeiten läßt?»
«Du arbeitest für Grammatik, Syntax und Rechtschreibung, alles Dinge, die weder teuflisch noch ketzerisch sind.»
Don Camillo setzte die Brille auf, nahm einen Bleistift und brachte die hinkenden Sätze der Ansprache, die Peppone am nächsten Tag lesen sollte, in Ordnung. Peppone las es noch einmal durch, mit ernster Miene.
«Ist recht», stimmte er zu. «Das einzige, was ich nicht verstehe, ist folgendes. Wo ich sagen wollte: ‹Es ist unsere Absicht, das Schulhaus zu vergrößern und die Brücke über den Fossalto wieder aufzubauen›, haben Sie ausgebessert: ‹Es ist unsere Absicht, das Schulhaus zu vergrößern, den Kirchturm zu reparieren und die Brücke über den Fossalto wieder aufzubauen.› Warum?»
«Es ist eine Frage der Syntax», erklärte Don Camillo ernst.
«Selig, die Latein gelernt haben und alle Feinheiten der Sprache verstehen», seufzte Peppone. «Und so», fügte er hinzu, «ist's auch mit der Hoffnung aus, daß Ihnen der Kirchturm einmal über dem Kopf zusammenfallen wird.»
Don Camillo breitete die Arme aus.
«Wir müssen uns alle dem Willen Gottes beugen.»
Als er dann Peppone bis zur Türe begleitet hatte und zurückkam, ging er, Christus zu begrüßen.
«Bravo, Don Camillo», sagte Christus lächelnd. «Ich habe dich falsch eingeschätzt, und es tut mir jetzt leid, daß du deine letzte Zigarre zerkrümelt hast. Es war eine unverdiente Buße. Seien wir übrigens ehrlich: es war von diesem Peppone gar nicht schön, daß er dir nicht einmal eine Zigarre angeboten hat nach dieser ganzen Mühe, die du dir gemacht hast.»
«Ist schon gut», seufzte Don Camillo und zog aus der Tasche eine Zigarre, indem er Anstalten machte, sie in seiner großen Hand zu zerquetschen.
«Nein, Don Camillo», sagte lächelnd Christus. «Geh und rauche sie in Frieden. Du hast sie verdient.»
«Aber ...»
«Nein, Don Camillo, du hast sie nicht gestohlen. Peppone hat zwei Zigarren in der Tasche gehabt. Peppone ist Kommunist. Indem du ihm geschickt eine enteignet hast, hast du dir nur dein Teil genommen.»
«Niemand kennt sich in diesen Dingen besser aus als Du», rief Don Camillo mit großer Achtung aus.
DER JAGDAUSFLUG
Jeden Morgen pflegte Don Camillo den berühmten Riß in der Turmmauer zu betrachten, und jedesmal war es dieselbe Geschichte: der Riß war nicht größer, aber auch nicht kleiner geworden. Und so verlor er eines Tages die Geduld und schickte den Sakristan zur Gemeinde.
«Sage dem Bürgermeister, er soll gleich kommen und sich dieses Unglück anschauen. Erkläre ihm, daß es wichtig sei.»
Der Sakristan ging und kam zurück.
«Peppone, der Bürgermeister, hat gesagt, er glaube Ihnen aufs Wort, daß es wichtig sei. Jedenfalls, wenn Sie unbedingt wollen, daß er sich den Riß in der Turmmauer anschaut, so sollen Sie ihm den Kirchturm ins Magistrat bringen.
Er empfängt bis fünf Uhr.»
Don Camillo zuckte nicht einmal mit den Wimpern. Er beschränkte sich auf einige Worte nach dem abendlichen Gottesdienst:
«Wenn morgen Peppone oder jemand von seiner Bande wagen sollte, sich bei der heiligen Messe zu zeigen, werden wir Dinge sehen, die es sonst nur im Film gibt. Die ‹Roten› wissen es, aber haben Angst und werden sich nicht blicken lassen.»
Sonntag früh war tatsächlich nicht einmal ein Schatten von den «Roten» in der Kirche zu sehen. Fünf Minuten vor dem Beginn der Messe hörte man jedoch vom Kirchplatz den Marschtritt
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