Don Camillo und seine Herde
den Schuh auf das Fensterbrett, wie er es immer getan hatte. Daneben legte er das Säckchen mit den Brotkrumen. Dann schloß er die Fensterflügel und stieg in sein Zimmer hinauf, mit einem bekleideten und einem bloßen Fuß.
Die alten wurmstichigen Betten waren noch da, aber ohne Matratzen. Im Zimmer der Großmutter hatte das Bett noch den Strohsack, und dort legte Cesarino sich nieder. Er hätte am liebsten die Kerze nicht ausgelöscht, aber der Gedanke, daß das Licht die heilige Luzia abschrecken könnte, bestimmte ihn, im Dunkeln zu bleiben.
Er hatte nicht einmal Zeit, Angst zu haben, weil ihn die Müdigkeit überwältigte und er sogleich in Schlaf versank.
Um ein Uhr nachts hielt ein Motorrad auf der Straße vor dem einsamen Haus an.
Ein Mann im Mantel überquerte den Hof und knipste vor dem Haustor eine Taschenlampe an. Der Lichtkegel irrte über die Fassade und blieb am Fenster mit den offenen Läden und dem Schuh auf dem Fensterbrett hängen.
Der Mann im Mantel betrachtete eine ganze Weile diesen Schuh. Dann ging er auf die Straße zurück, stellte das Motorrad ab und ging zu Fuß in das schlafende Dorf.
Diese Nacht blieb Cibelli als die wunderlichste in seinem ganzen geruhsamen Leben eines Kaufmanns in Erinnerung. Cibelli wurde nämlich um halb zwei von jemandem aufgeweckt, der von der Straße seinen Namen rief. Als er zum Fenster ging, sah er, wer der nächtliche Besucher war. Er ging hinunter und fragte sich unterwegs, was jener um diese Stunde von ihm wolle. Und als er es erfuhr, rief er:
«Carletto, die Luft von Mailand hat dich wohl verrückt gemacht?»
Cesarino wachte um neun Uhr früh plötzlich auf und sprang sofort vom Strohsack, in den er sich verkrochen hatte, und lief in die Küche, um das Fenster aufzumachen.
Der Schuh war voll von Päckchen und einige lagen sogar neben dem Schuh auf dem Fensterbrett.
Cesarino trug alles, an die Brust gedrückt, zum Tisch und war mit dem Aufknoten der Bindfäden beschäftigt, als er das Rattern eines Motorrades im Hofe hörte. In der Küchentür erschien sein Vater.
«Die ganze Nacht suche ich dich!» schrie der Vater und schälte sich aus dem Mantel. «Aus Mailand mußte ich mit dem Motorrad hierher fahren!»
Cesarino betrachtete ihn mit offenem Mund.
«Wenn wir wieder zu Hause sind, dann rechnen wir ab», brüllte der Vater mit furchterregender Stimme. «Und wenn du noch einmal so etwas machst, bringe ich dich um!»
Cesarino schüttelte den Kopf. «Ich werde es nicht mehr machen», stotterte er. «Die heilige Luzia weiß jetzt, daß ich in Mailand bin... ich habe für sie einen Zettel in den Schuh gesteckt, und sie hat den Zettel mitgenommen...»
Es war ein schöner Dezembertag mit hellem, strahlendem Sonnenschein. Der Vater verließ brummend die Küche und kam mit einem großen Bündel Holz zurück, das er ins Feuer warf.
Die Flamme stieg hoch.
«Wärme dich, Halunke!» brüllte der Mann und packte Cesarino an den Schultern und drückte ihn auf einen Stuhl neben dem Herd.
Dann ging er hinaus und kam mit zwei Schüsseln heißer Milch und einem frischen Brotwecken zurück.
«Iß!» schrie der Mann und drückte ihm ein Stück Brot und eine Schüssel in die Hände. «Laß jetzt diese Dummheiten! Und zieh den Schuh wieder an!»
Cesarino war völlig verwirrt und konnte sich das alles, das Brot, die Milch, die offenen und noch nicht geöffneten Päckchen, nicht erklären. Und der Rauch vom Kamin trieb ihm Tränen in die Augen.
Unterdessen verzehrte der Vater finster und mit gesenktem Blick sein Frühstück.
Dann konnte er nicht mehr widerstehen und wandte sich einen Augenblick um. Sie war da, hinter ihm, und flüsterte:
«Seitdem wir uns kennengelernt haben, ist es das erste Geschenk, das du mir gemacht hast, Carletto. Es ist aber ein großes Geschenk... Verdirb mir nicht meinen Buben, Carletto. Laß ihn so...»
Der Vater erhob ein Gebrüll und blickte Cesarino mit wütenden Augen an.
«Durch deine Schuld hab ich einen Tag verloren!»
Natürlich hatte er den Tag nicht verloren. Er wußte es, wollte es aber nicht zugeben.
Das Mönchlein
Peppone und Genossen standen am Beginn des Sträßleins, das auf den Damm hinaufklettert, und unterhielten sich über die Niedertracht des Klerus im allgemeinen und Don Camillos im besonderen, als wie ein Täubchen in ein Falkennest ein Mönch daherkam.
Es war ein eingeschrumpftes und wackeliges Mönchlein, mit einem Sack auf der Schulter, und wenn man es so krumm daherkommen sah, mußte man
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