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Don Camillo und seine Herde

Don Camillo und seine Herde

Titel: Don Camillo und seine Herde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovannino Guareschi
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Camillos ausgerechnet eine Spanne größer war als seine Gestalt. Auch wenn ein Jagdgewehr vor seinen Augen losging, verlor er nicht eine Spur von seiner Fassung. Stolperte er aber über einen Stein oder spielte man ihm einen Streich, dann war er imstande, die Fassung zu verlieren, und es konnten ihm ob der Demütigung Tränen in die Augen kommen.
    In solchen Augenblicken empfand er eine Art Mitleid mit sich selbst, und seine Seele wurde von Traurigkeit erfüllt.
    Er machte keine Szene.
    Er begnügte sich damit, einen Alten, der vor dem Laden stand, gleichgültig zu fragen, ob er jemanden auf einem Damenrad mit grünem Schutznetz gesehen hätte. Als dieser antwortete, er könne sich nicht erinnern, jemanden gesehen zu haben, tippte er an den Hutrand und ging fort.
    Er ging am Gendarmerieposten vorbei, dachte aber nicht einmal daran, einzutreten. Die Tatsache, daß man einem armen Priester mit fünfundzwanzig Lire in der Tasche sein Fahrrad gestohlen hatte, war eine moralische Angelegenheit und daher eine Sache, die man mit den gewöhnlichen Dingen des Lebens nicht vermengen darf. Die Reichen sind es, die sogleich eine Anzeige erstatten, wenn man sie bestohlen hat; für sie ist das nämlich eine reine Geldangelegenheit, während es für die Armen eine Beleidigung ist, wenn ihnen ein Diebstahl widerfahrt, genau so, wie wenn ein Schurke einem Einbeinigen absichtlich den Fuß stellt oder ihm das Holzbein bricht.
    Don Camillo zog den Hut ins Gesicht und wandte sich heimwärts. Sobald er einen Karren hinter sich hörte, verließ er die Straße und versteckte sich, aus Angst, man könnte ihn auffordern, das Fuhrwerk zu besteigen. Er wollte zu Fuß gehen, es paßte ihm nicht in den Kram, mit jemandem sprechen zu müssen. Vor allem wollte er nun die zwölf Kilometer mit den Füßen abklappern, sozusagen um die Schuld des Gauners zu vergrößern, der an ihm einen so gemeinen Diebstahl begangen hatte, aus Lust, sich noch mehr gekränkt fühlen zu können. So ging er eine Stunde, ohne stehenzubleiben, allein wie ein Hund auf der Straße in praller Sonne und Staub, das Herz voll Mitleid mit diesem unglücklichen Don Camillo, mit dem er sich wie mit jemand anderem beschäftigte.
    Er ging eine Stunde, ohne stehenzubleiben, auf der einsamen Straße. Als er zur Einbiegung einer zweitrangigen Straße kam, setzte er sich auf die Brüstung einer kleinen Ziegelbrücke, und siehe, dort lehnte sein Fahrrad.
    Es war wirklich sein Fahrrad, er kannte jeden Zoll an ihm, ein Irrtum war ausgeschlossen.
    Er schaute sich um, niemand war zu sehen.
    Er berührte das Fahrrad; mit dem Fingernagel klopfte er auf die Lenkstange; es war aus Eisen, es war keine Illusion.
    Wieder schaute er sich um: kein lebendiges Wesen. Das nächste Haus war wenigstens einen Kilometer entfernt. Die Hecken waren noch nackt und blattlos.
    Er beugte sich über die Brüstung. Da saß ein Mann im ausgetrockneten Graben.
    Der Mann schaute hinauf und machte eine Kopfbewegung, als ob er sagen wollte: «Na und?»
    «Das ist mein Fahrrad», stotterte Don Camillo.
    «Welches Fahrrad?»
    «Dieses, das hier an der Brücke lehnt.»
    «Schon gut», bemerkte der Mann. «Wenn ein Fahrrad an der Brücke lehnt und das Fahrrad Ihnen gehört, was geht das mich an?»
    Don Camillo war verwirrt.
    «Ich fragte nur», erklärte er. «Ich wollte nicht fehlgehen.»
    «Sind Sie sicher, daß es Ihnen gehört?»
    «Gewiß! Vor einer Stunde hat man es mir in Villa gestohlen, als ich in einem Laden war. Ich verstehe nicht, wie es hierher kommt.»
    Der Mann lachte.
    «Es wird des Wartens müde geworden sein und ist davongelaufen.»
    Don Camillo breitete die Arme aus.
    «Als Priester werden Sie wohl imstande sein, ein Geheimnis bei sich zu behalten?» erkundigte sich der Mann.
    «Gewiß.»
    «Gut, dann sage ich Ihnen, daß das Fahrrad hier ist, weil ich es hergebracht habe.»
    Don Camillo machte große Augen.
    «Haben Sie es irgendwo gefunden?»
    «Ja, ich habe es vor dem Laden gefunden, in den Sie hineingegangen waren, und da habe ich es weggenommen.»
    Don Camillo stutzte einen Augenblick.
    «War das ein Scherz?»
    «Reden wir keine Dummheiten!» protestierte der Mann beleidigt. «Was stellen Sie sich vor? Ich sollte in meinem Alter noch herumlaufen und solche Scherze machen? Ich hatte es in allem Ernst weggenommen. Dann habe ich es mir überlegt und bin Ihnen nachgefahren. Ich bin Ihnen bis zwei Kilometer vor dieser Stelle gefolgt, dann nahm ich die Abkürzung über die untere Straße, kam hierher und

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