Don Camillo und seine Herde
stellte es Ihnen vor die Nase.»
Don Camillo setzte sich auf den Brückenrand und blickte auf den Mann, der im Graben saß.
«Warum haben Sie das Fahrrad genommen, wenn es nicht Ihnen gehört?»
«Jeder hat sein Geschäft. Sie arbeiten in der Seelenbranche und ich in Fahrrädern.»
«Hast du schon immer diesen Beruf ausgeübt?»
«Nein, erst seit zwei oder drei Monaten. Ich besuche Kirchweihfeste und Märkte und arbeite mit ruhigem Gewissen, weil alle diese Bauern zu Hause große Korbflaschen vollgestopft mit Tausendern haben. Heute früh wollte mir nichts gelingen, und so habe ich schließlich Ihr Fahrrad genommen. Von weitem habe ich dann gesehen, wie Sie aus dem Laden kamen und sich ohne ein Wort auf den Weg machten. Dann haben mich Gewissensbisse gepackt, und ich bin Ihnen nachgefahren. Eigentlich kann ich gar nicht begreifen, wie das zugegangen ist; Tatsache ist, daß ich Ihnen nachfahren mußte. Warum haben Sie sich immer versteckt, wenn ein Karren in die Nähe kam? Wußten Sie, daß ich dahinter war?»
«Nein.»
«Ich war aber dahinter! Wenn Sie einen Karren bestiegen hätten, wäre ich zurückgefahren. Sie sind aber weiter zu Fuß gegangen, und so habe ich tun müssen, was ich getan habe.»
Don Camillo schüttelte den Kopf.
«Und wohin gehst du jetzt?»
«Zurück nach Villa, vielleicht gelingt mir eine andere Sache.»
«Ein anderes Fahrrad?»
«Natürlich.»
«Dann nimm dieses.»
Der Mann blickte auf.
«Hochwürden, nicht einmal, wenn es aus Gold wäre! Ich spüre, ich würde es mein ganzes Leben auf dem Gewissen haben. Es würde mir die Karriere verderben. Halte dich weit von den Pfaffen!»
Don Camillo fragte ihn, ob er schon gegessen habe. Der andere verneinte.
«Dann komm zu mir essen.»
Ein Karren näherte sich, es war Brelli.
«Auf, auf, du Gauner! Nimm das Fahrrad und folge mir. Ich steige auf den Karren.» Er hielt Brelli an und ließ sich mitnehmen; ihn schmerze ein Bein, sagte er.
Der Mann verließ den Graben und kam auf die Straße zurück. Er war außer sich vor Wut, schmiß den Hut auf den Boden, sagte eine Menge böser Worte an die Adresse vieler Heiligen und bestieg dann das Fahrrad.
Der Tisch war schon seit zehn Minuten gedeckt, als Don Camillo den Mann mit dem Fahrrad den Pfarrhof betreten sah.
«Du mußt dich damit zufriedengeben», sagte Don Camillo. «Es gibt nur Brot, Wurst und ein Stück Käse und etwas Wein.»
«Keine Sorge, Hochwürden», antwortete der Mann. «Ich habe schon daran gedacht», und legte ein Huhn auf den Tisch.
«Es ist gerade über die Straße gelaufen», erklärte der Mann. «Ohne es zu wollen, bin ich ihm mit dem Fahrrad über den Hals gefahren. Es tat mir leid, es so im Todeskampf auf der Straße liegenzulassen, und ich habe seine Schmerzen abgekürzt. Hochwürden, schauen Sie mich nicht so an. Wenn Sie es richtig braten, wird Ihnen Gott bestimmt verzeihen.»
Don Camillo ließ es braten und holte eine Flasche vom Besten. Nach einigen Stunden wollte sich der Mann verabschieden
und schien sehr besorgt.
«Jetzt», sagte er, «ist es ein Kreuz, in das Fahrradgeschäft wieder zurückzukehren. Sie haben mir die Zuversicht geraubt.»
«Hast du Familie?»
«Nein, ich bin ledig.»
«Gut, ich nehme dich als Küster. Der frühere ist vor zwei Tagen weggegangen.»
«Aber ich kann nicht Glocken läuten.»
«Ein Mann, der Fahrräder stehlen kann, lernt es schnell.»
Der Mann schüttelte den Kopf und breitete die Arme aus. «Verflucht seien Sie und der Tag, an dem ich Ihnen begegnet bin!» murmelte er. Und blieb und wurde Küster.
... blockiert (zeitweilig) den Freilauf des Fahrraddiebes. Die Umkehr des Gauners läßt nur den Schluß zu: Fahrradarwirkung auf die Seele des Bösen.
Abgebrühte Ganoven dagegen werden das Verhalten ihres Kollegen als neuerlichen Beweis dafür werten, daß ein Radfahrer weder Sprit noch Esprit braucht. Der Brave wiederum wird seinen Glauben bestärkt sehen, daß unrecht Gut nicht gedeihe.
PS: Um so gedeihlicher kann rechtes Gut sein, zumal erspartes, wenn es recht gut angelegt ist.
Prügel vor der Hochzeit
Wenn Don Camillo in der Kirche oder im Pfarrhof den alten Rocchi auftauchen sah, murmelte er stets für sich: «Da ist er, der politische Kommissar!» Der alte Rocchi war nämlich der Capo jenes Überwachungstrupps, der in keiner Pfarre fehlt und die Aufgabe hat, das Verhalten des Priesters in und außerhalb der Kirche zu beobachten und dem Bischof Beschwerdebriefe zu schicken, wenn nach Ansicht jener Aufpasser
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