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Don Camillo und seine Herde

Don Camillo und seine Herde

Titel: Don Camillo und seine Herde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovannino Guareschi
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sei ein unsympathischer Bürgermeister. Aber das hatte niemand gemerkt.
    Als der Umsturz kam, merkte natürlich sofort eine Menge Leute, daß der Podestà unsympathisch war, und in solchen Fällen sind solche Erkenntnisse meistens nur ein Beginn. Es gab aber in Norditalien überraschenderweise noch eine fast zweijährige zweite faschistische Welle, und so blieb Torconi länger Podestà, als man dachte; er tat nicht mehr und nicht weniger als früher, der Haß um ihn aber steigerte sich von Tag zu Tag.
    Es ist immer so gewesen in der Geschichte: Eines Tages beginnt sich die Lage zu ändern, und dann entdecken die Leute, daß sie schon immer furchtbar unterdrückt waren, und dann geraten sie außer sich, weil sie das Bedürfnis haben, jemanden zu verprügeln und mit einer Schießerei den endgültigen Umsturz herbeizuführen. Und der Haß, den es früher gar nicht gab, entsteht und wächst; und alle betrachten im Vorbeigehen das vorbestimmte Opfer und denken: «Warte nur, du Hund, es kommt der Tag!»
    Und so suchte eines Tages Don Camillo den Podestà in seinem Haus auf; das war Anfang 1945, als es schon überall zu knistern begann.
    «Es wird besser sein, Sie machen sich aus dem Staub, solange es noch Zeit ist», sagte Don Camillo zu dem Podestà, «passen Sie auf!»
    «Hochwürden», antwortete Torconi, «Sie wissen zu gut, daß ich niemandem etwas getan habe.»
    «Das zählt nicht. Es zählt vor Gott, nicht aber vor einer entsicherten Maschinenpistole. Sie haben die Möglichkeit, zu gehen. Ich habe meine Gründe, wenn ich Ihnen das sage.»
    Torconi konnte sich nicht mit Fluchtgedanken abfmden.
    «Nur wer ein schlechtes Gewissen hat, flieht», erwiderte er.
    «Wenn ein wütender Stier die Ketten sprengt und Ihnen nachsetzt, werden Sie ihm nicht ausweichen? Auch wenn Sie ein reines Gewissen haben, schlitzt Ihnen der Stier den Bauch auf.»
    «Hier verhält es sich anders, Flucht wäre hier erniedrigend.»
    «Es ist erniedrigend, sich umbringen zu lassen, wenn man nichts angestellt hat. Man muß Ehrenmänner in Schutz nehmen; ich nehme Sie in Schutz, und Sie schauen nun, daß Sie selber sich jetzt weiter in Schutz nehmen.»
    Torconi hatte verflucht wenig Lust, sein schönes Haus zu verlassen. Er sah aber ein, daß es notwendig wäre, es zu verlassen. Er wartete bis in die ersten Apriltage und besuchte dann Don Camillo, um von ihm Abschied zu nehmen.
    «Ich gehe, Hochwürden. Für den Fall, daß lange Zeit verstreichen könnte, ehe die Luft hier wieder rein ist, hinterlasse ich ihnen diesen Brief für den Halbpächter Biolchi. Er enthält Weisungen über alles, was er tun soll, über Verkauf der landwirtschaftlichen Produkte, Einzahlung des Gewinnes usw. Schauen Sie ein wenig nach. Ich werde versuchen, mit meiner Frau in die Schweiz zu kommen. Ich habe eine Menge anonymer Drohbriefe erhalten. Sie hatten recht.»
    «Machen Sie es nur ohne Krach», warnte ihn Don Camillo. «Ich habe mein Verschwinden genauestem vorbereitet. Sie sind der einzige, der etwas davon weiß. Es kann nichts passieren.» Torconi machte die Sache wirklich gut, man bemerkte seine Flucht erst drei Tage später. «Wie konnten wir ihn nur entkommen lassen», sagten die Leute wütend. «Er war eine schwarze Seele, sonst hätte er sich nicht aus dem Staub gemacht!»
    Dann geschah es, daß eines schönen Tages die mit den roten Halstüchern die Gegend unsicher zu machen begannen.
    Die Biolchi ließen sich die Gelegenheit nicht entgehen; beide, Mann und Frau, banden sich ein rotes Tuch um den Hals, luden auf einen Karren zwei Säcke voll Weinflaschen, begaben sich zum Sitz des Ausschusses für die Widerstandsbewegung, packten die Flaschen aus und fragten:
    «Wir und unsere Kinder verkommen in vier Kämmerchen, eng wie Hühnerställe, in die es hineinregnet, während nur zwanzig Meter von uns eine Villa leer steht, weil dieses Schwein von Podestà geflüchtet ist, um sich der Gerechtigkeit des Volkes zu entziehen. Ist das in Ordnung?»
    «Nehmt die Villa und gebt euer Haus den Feldarbeitern», antwortete der Ausschuß, der bereits mit dem Entkorken der Flaschen beschäftigt war.
    Die Biolchi brachen das Türschloß auf und nahmen die Villa in Besitz. Nun aber begann die Tragödie:
    Sie brachten Bilder, Koffer, Möbel, Leibwäsche und Küchengeräte der Torconi in das Eckzimmer im Erdgeschoß, weil sie nicht am Privateigentum, sondern am Wohnraum interessiert waren. Gisa fühlte sich jedoch von Anfang an als die gnädige Frau Gisa und bestand darauf, daß das

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