Don Camillo und seine Herde
ist.»
Da mischte sich Badile ein.
«Ich heiße Ernani Gniffa und habe fünfundsechzig Jahre diesen Namen getragen, ohne daß jemand gelacht hätte!»
«Richtig! Du bist aber Schlosser und kein Operntenor!» antwortete Don Camillo.
«Hier kümmert man sich nicht um solche Dinge, in der Kunst ist es aber etwas anderes. Das Publikum will Namen, die man leicht aussprechen kann, die gut klingen, die populär werden können.»
«Quatsch!» rief Peppone. «Bürgerliche Dummheiten.»
Don Camillo schaute ihn an.
«Und wenn Giuseppe Verdi anstatt Giuseppe Verdi Radames Gniffa geheißen hätte, wäre das auch egal gewesen?»
Peppone war von dieser Bemerkung sehr beeindruckt.
«Und wenn Herr Josef Stalin», fuhr Don Camillo fort, «anstatt Josef Stalin Evasio Bergnocloni hieße, wäre das auch egal?»
«Stell dir vor!» murmelte Peppone. «Stalin sollte Bergnocloni heißen! Nicht auszudenken!»
Es war eine schwierige Sitzung, die bis spät in die Nacht dauerte.
Zum Schluß waren sie alle mit dem Namen Franco Santalba einverstanden.
Radames zuckte mit den Achseln.
«Was ihr für mich tut, ist immer gut getan.»
So kam der denkwürdige Tag. In der Frühe versammelte sich der Ausschuß auf dem Platz, um die Ankündigung in der Zeitung zu lesen, die soeben aus der Stadt gekommen war.
Da war auch ein Bild und darunter der Text: «Der Tenor Franco Santalba.»
Sie vereinbarten die Abfahrt.
«Wir müssen früh genug abfahren, um Plätze zu bekommen. Auf dem Dodge ist für alle Platz genug», sagte Peppone. «Treffpunkt ist hier um vier.»
«Man muß den Erzpriester verständigen», sagte jemand. «Er wird nicht kommen können, man muß ihn aber dennoch verständigen.»
«Der Klerus geht mich nichts an», antwortete Peppone.
Sie gingen in den Pfarrhof, und Don Camillo war sehr traurig.
«Ihr wißt ja, ich kann nicht kommen. Ein Priester in so einem Theater, in einer Erstaufführung, das geht nicht. Es tut mir leid. Ihr werdet mir aber erzählen.»
Der Ausschuß verabschiedete sich, und Don Camillo vertraute sich dem Gekreuzigten an.
«Es tut mir leid, daß ich nicht gehen kann», seufzte Don Camillo. «Radames ist gewissermaßen ein wenig unser aller Sohn. Andererseits, Pflicht ist Pflicht. Mein Platz ist hier, nicht in der frivolen und mondänen Welt des Theaters.»
«Gewiß, Don Camillo», antwortete Christus. «Das sind kleine Opfer, die man heiteren Herzens erbringen muß.»
«Klein im absoluten Sinne», sagte Don Camillo. «Große Opfer aber im relativen Sinne und in diesem besonderen Fall. Der Fall ist ganz besonders und einmalig und unwiderruflich. Wie dem auch sei, gerade weil es ein großes Opfer ist, muß man imstande sein, es heiteren Herzens zu erbringen. Und ohne Bedauern. Bedauern vermindert den Wert des Opfers. Ja, vielmehr, wenn ein Opfer Bedauern herbeiführt, dann kann man sagen, daß das Opfer überhaupt keinen Wert mehr hat.»
«Natürlich», bestätigte Christus.
Don Camillo ging in der leeren Kirche auf und ab.
«Diese Stimme», erklärte er, und blieb vor dem Hochaltar stehen, «diese Stimme habe ich herausgebracht. Ein kleiner Bub war er, so klein. Singen konnte er überhaupt nicht, er kreischte nur wie eine verrostete Kette. Und heute singt er im Königlichen Theater von Parma, in der Aida. Radames in der Aida. Und ich kann ihn nicht hören. Dieser Verzicht scheint mich viel Überwindung zu kosten, mein Herz ist aber ganz heiter.»
«Gewiß», flüsterte lächelnd Christus.
Peppone und sein Gefolge hatten in der ersten Reihe der dritten Galerie Platz genommen. Sie waren ganz außer sich vor Erwartung und warteten schon seit geraumer Zeit, weil man auf der dritten Galerie die Plätze erobern muß, es genügt nicht, die Eintrittskarten zu bezahlen.
Wenn man Aida gibt, ist die dritte Galerie nicht nur voll, die dritte Galerie birst dann vor Leuten. Und doch gelang es einem Mann knapp vor Beginn der Vorstellung, die Menschenflut zu teilen und bis in die erste Reihe hinter Peppone vorzudringen. Es war ein Riese, er hatte einen grünen Lodenmantel an, und Peppone schien ihn zu kennen, weil er ihm Platz machte und sich der Riese zu ihm setzte.
«Wenn Radames Angst hat, gibt es ein Unglück», stotterte Peppone. «Die Leute kennen hier kein Mitleid.»
«Hoffen wir das Beste», sagte der Riese.
Der arme Radames erschien aber auf der Bühne bebend vor Angst und spielte den Radames bebend vor Angst.
«Wenn sie ihn auspfeifen, bringe ich noch jemanden um», sagte Peppone zu dem Riesen,
Weitere Kostenlose Bücher