Don Camillo und seine Herde
antwortete man ihm. «Das kann man nicht machen. Ein historisches Stück läßt sich doch nicht ersetzen!»
Don Camillo gab sein Vorhaben auf; der Dorn blieb ihm aber im Herzen stecken, und er klagte von Zeit zu Zeit Christus am Hochaltar.
«Jesus, warum hilfst Du mir nicht? Bist Du denn nicht persönlich beleidigt, wenn Du die Mutter Gottes so wiedergegeben siehst? Wie kannst Du erlauben, daß die Leute die Mutter Gottes nennen?»
«Don Camillo», antwortete Christus, «die wahre Schönheit ist nicht das Äußere. Wahr ist vielmehr, daß die äußere Schönheit schwindet und zu Erde wird in der Erde. Alles, was wirklich schön ist, ist ewig und stirbt nicht mit dem Fleisch. Die Schönheit der Mutter Gottes ist die ihrer Seele, und diese Schönheit ist unberührt und unzerstörbar. Warum sollte ich beleidigt sein, wenn jemand aus Ton eine Frau mit häßlichem Gesicht geformt und diese Statue dann auf den Altar der Madonna gestellt hat? Wer vor diesem Altar niederkniet, richtet seine Gebete nicht an die Tonstatue, sondern an die Mutter Gottes, die im Himmel ist.»
«Amen», antwortete Don Camillo.
Und er ging weg, litt aber weiter darunter, wenn er die Leute von der «Madonna brutta» sprechen hörte.
Aber der Dorn blieb in seinem Herzen stecken, und er gewöhnte sich langsam an diesen Jammer. Im August aber, am Tag der großen Prozession, wenn man die «Madonna brutta» aus der Seitenkapelle herausholte und auf einem Traggestell durch die Straßen des Dorfes trug, wurde sein Leiden akut.
Vom Schatten der Seitenkapelle befreit, traten die Gesichtszüge der Madonna in der stechenden Sonne noch weitaus schärfer hervor. Es war ein häßliches, es war aber auch vor allem ein böses Gesicht. Ein Gesicht mit groben Zügen. Da waren Triefaugen, alles eher als ekstatisch. Und das Jesuskind auf dem Arm der Madonna war ein Bündel Fetzen, ein Bündel, aus dem das leere Gesicht einer Puppe hervorkam.
Don Camillo hatte sein Möglichstes getan, diese Häßlichkeit zu tarnen, indem er die Statue mit Schleiern, Diademen und Halsbändern schmückte. Anstatt zu verbessern, hatte das die Sache nur verschlechtert. Und Don Camillo entschloß sich endlich, auf jeden Schmuck zu verzichten, und die gräßlichen Farben, mit denen die Figur bekleckst war, wirkten scheußlicher denn je.
Der Krieg fing auch für die Straßen der abgelegenen Dörfer am Ufer des großen Flusses an. Es gab zerstörte und ausgeplünderte Häuser. Die Hände der Räuber und Kirchenschänder schreckten nicht davor zurück, sich an den Altären zu vergreifen. Vom Himmel hagelte es Bomben. Glockentürme und Kirchen wurden getroffen. Don Camillo wollte es sich selbst nicht eingestehen, aber in der Tiefe seines Herzens hoffte er, daß ihn vielleicht etwas von der «Madonna brutta» befreien würde.
Als gegen Kriegsende alle möglichen fremden Truppenteile in der Gegend herumzustreichen begannen, wandte sich Don Camillo an die zuständige Stelle:
«Die ist ein Meisterwerk aus dem Jahre 1693. Ein historisches Stück. Man müßte sie verlagern, in Sicherheit bringen.»
Man antwortete ihm, er könne beruhigt sein, die Statue sei ein Kunstwerk und historisch, aber häßlich, und die Häßlichkeit sei ihr bester Schutz. Seit 1693 hätte sie bestimmt schon jemand weggetragen, wenn sie nicht so häßlich gewesen wäre.
Der Krieg war vorbei, es vergingen weitere Jahre, und schließlich kam der Augenblick, als Don Camillo - heftiger denn je - den Stich des Dornes verspürte. Er hatte die Kirche erneuert, die Wände angestrichen, die Ziegelsäulen und die Holzbalustraden restauriert, die Lampen und die Leuchter vergoldet. Mitten in dieser Pracht, mitten in diesem Glanz war für die «Madonna brutta» wirklich kein Platz mehr. Ein schwarzer Fleck auf einem schmutzigen Hintergrund spielt keine Rolle, man sieht ihn und sieht ihn doch nicht. Ein schwarzer Fleck, auf einem weißen Hintergrund wirkt aber wie eine Faust aufs Auge.
«Jesus», sagte Don Camillo und kniete vor dem Gekreuzigten am Hochaltar nieder. «Diesmal mußt Du mir helfen. Jesus, für die Erneuerung der Kirche habe ich das wenige Geld, das ich hatte, bis auf den letzten Groschen ausgegeben. Ich habe auch nicht wenig Geld ausgegeben, das ich nicht hatte, und nun bin ich mit Schulden belastet. Ich habe mein Essen genau rationiert, ich habe sogar meine Zigarre aufgegeben. Mich freut heute nicht so sehr, die Kirche so schön zu sehen, als die Kraft gehabt zu haben, so viele
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