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Don Camillo und seine Herde

Don Camillo und seine Herde

Titel: Don Camillo und seine Herde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giovannino Guareschi
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führt.

Radames

    Radames’ Vater war Badile, der Schlosser, der in Wirklichkeit Gniffa Ernani hieß; man versteht sofort, daß es sich um eine Familie von Opernliebhabern handelt.
    Badile war ein toller Sänger, und wenn er einige Halbe Wein hinuntergeschüttet hatte, dann holte er eine so volle und wuchtige Stimme hervor, daß es eine Freude war, ihm zuzuhören.
    Als Badiles Sohn eines Tages Don Camillo vor die Füße geriet, war Radames sechs Jahre alt, und man hätte für ihn keinen Groschen gegeben.
    Badile wünschte, daß Don Camillo seinen Sohn mit den anderen Buben in den Kirchenchor aufnehme und Don Camillo seine Stimme prüfe.
    «Er kann höchstens die Orgel treten», sagte Don Camillo.
    Radames hatte so eine typisch gebrochene, harte und schneidende Stimme wie eine Steinsäge.
    «Er ist mein Sohn», antwortete Badile, «er muß eine gute Stimme haben. Sie ist nur noch gebunden. Man muß sie befreien.»
    Badile abzuweisen, hätte bedeutet, ihm die größte Kränkung seines Lebens anzutun.
    «Wir wollen es versuchen.»
    Und er versuchte es. Versuchte es auf alle möglichen Arten, nach zwei Jahren hatte sich Radames nur verschlechtert. Nicht nur, daß seine Stimme noch kreischender war als zuvor, sie blieb jetzt auch noch von Zeit zu Zeit stecken. Und doch hatte Radames einen Brustkorb, daß ihm das Hemd platzte, und wenn man aus einem solchen Blasebalg ein derartiges Gekreisch kommen hörte, überkam einen die Wut.
    Schließlich irrte sich Don Camillo eines Tages in der Hausnummer, stand von der Orgel auf und gab Radames einen Fußtritt von der Wucht einer halben Tonne, der ihn an die Wand klebte wie eine überreife Feige.
    Wenn es sich um eine Stimme handelt, bedeutet manchmal ein Fußtritt viel mehr als drei Jahre Gesangsübungen. Radames kehrte in den Chor zurück, und siehe da, plötzlich hatte er eine Stimme, als ob er von der Mailänder Scala käme.
    Und als ihn die Leute hörten, sagten alle, daß es eine Sünde wäre, ihn nicht lernen zu lassen.
    So sind diese Dörfler: Der eine verreckt vor Hunger, und niemand achtet darauf, weil er unsympathisch ist; ein anderer wieder ist sympathisch, und es regnet Geld, um ihn Singen lernen zu lassen.
    Es fanden sich Leute, die Geld sammelten, um Radames in die Stadt zu schicken. Nicht wie einen jungen Herrn natürlich, weil das in dieser Gegend nicht üblich ist, aber mit genügend Geld, um den Unterricht zu bezahlen. Für den Rest sorgte Radames selbst, indem er Koffer trug, Holz sägte und ähnliche Dienste leistete. Von Zeit zu Zeit begab sich Badile in die Stadt und kam zurück und berichtete:
    «Nicht schlecht, nicht schlecht, er wird.»
    Dann kam der verdammte Krieg, und man verlor Radames aus den Augen.
    Als alles vorbei war, erschien er eines Tages wieder im Dorf. Peppone war bereits Bürgermeister, und als ihm Don Camillo sagte, daß man nun bis zum Schluß aushalten müsse, fand Peppone das notwendige Geld und schickte Radames sofort in die Stadt zurück.
    Es verging so manches Jahr, und Radames war wieder da. «Man läßt mich in der Aida singen», sagte er.
    Im Dorf war nicht gerade die beste Stimmung, die Politik hatte wieder einmal dicke Luft gemacht, und es roch nach Prügeln. Aber auf diese Nachricht hin wurde alles vertagt.
    Peppone berief eine Besprechung im Gemeinderat ein, und auch Don Camillo kam.
    Die erste Frage war, woher man das Geld nehmen sollte. «Hier geht es um die Ehre des Ortes», erklärte Peppone. «Radames kann sich vor diesen Affen in der Stadt nicht wie ein armer Spatz zeigen.»
    Das Komitee sagte, das sei ganz richtig.
    «Wenn nur jemand da wäre, der es auf sich nimmt, das Geld von jenen Halunken herauszupressen, die es haben, ich würde es schon auf mich nehmen, die Solidarität der Klasse der Proletarier zu mobilisieren», behauptete Peppone.
    Don Camillo verstand, daß dies ihn anging, und antwortete:
    «Es gibt schon einen.»
    Radames erstattete einen ausführlichen Bericht, der in allen Einzelheiten für zufriedenstellend befunden wurde.
    «Da gibt es keine Protektion und keine Korruption», kommentierte stolz Peppone. «Das ist ein echter Sieg des Volkes!»
    Don Camillo wandte sich an Radames.
    «Und unter welchem Namen trittst du auf?»
    «Unter welchem Namen?» brüllte Peppone.
    «Unter seinem eigenen! Soll er vielleicht unter Ihrem auftreten?»
    Don Camillo kam nicht in Hitze.
    «Radames Gniffa ist kein Name, den man auf ein Plakat drucken kann. Es ist der unglücklichste Name, den es gibt, weil er lächerlich

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