Don Camillo und seine Herde
dahinter der Leichenzug mit all den wehenden roten Fetzen. Und siehe, als die Pferde vor der Kirche angelangt waren, blieben sie stehen, und niemand konnte sie mehr dazu bringen, weiterzugehen.
Einige ziehen die Pferde am Zaum, andere wieder schieben den Leichenwagen an; die Pferde aber stehen wie Marmorsäulen.
Einer ergreift einen Stock und beginnt, damit den armen Tieren aufs Kreuz zu schlagen. Die Pferde bäumen sich auf und gehen regelrecht in die Knie.
Endlich gelingt es, sie wieder auf die Beinezu stellen, und beide Pferde ziehen den Wagen ein Stück weiter. Aber in Sichtweite des Friedhofs bäumen sie sich wieder auf und beginnen rückwärts zu drängen.
«Der Alte», erklärten die Zeitungen, «hatte das kirchliche Begräbnis nicht abgelehnt, aber es waren die Söhne, die ein bürgerliches wollten.»
In der Gegend war ein großes Gerede über diese Geschichte von den Pferden. Es war kein Tratsch, man konnte die Sache prüfen. Es genügte, ein Boot zu nehmen und den Fluß zu überqueren.
Es gab große Debatten, und überall, wo ein Menschenhaufen diskutierte, sprang plötzlich Romagnolo hervor und begann zu schreien:
«Mittelalter! Finsteres Mittelalter!»
Dann erklärte er, daß an der Sache nichts Außergewöhnliches sei, es handle sich einfach um eine Gewohnheit. Seit Jahr und Tag seien die Pferde gewohnt gewesen, bei Begräbnissen vor der Kirche stehenzubleiben, und so seien sie auch diesmal stehengeblieben.
Die Leute waren sehr beeindruckt und begaben sich zu Don Camillo.
«Was sagen Sie, Hochwürden?»
Don Camillo breitete die Arme aus.
«Die göttliche Vorsehung ist unbegrenzt und kann auch die geringsten Lebewesen, auch eine Blume, einen Baum oder einen Stein auserwählen, um seine Mahnung an die Menschen zu richten. Traurig ist nur, daß die Menschen, anstatt auf die vernünftigen Reden jener zu hören, die ihnen das Wort Gottes verkünden, stets geneigt .sind, sich in größerem Maße die Denkweise eines Hundes oder eines Pferdes zu eigen zu machen.»
Diese Art zu reden gefiel manchen Leuten nicht, und es begaben sich die angesehensten Angehörigen der Pfarrgemeinde zu Don Camillo, um sich bei ihm zu beschweren.
«Hochwürden, diese Begebenheit ist ganz ungewöhnlich und hat die Leute im Dorf gehörig beeindruckt. Sie dürfen das nicht unterschätzen, Sie müssen vielmehr eine Erklärung geben, welche die moralische Lehre ins rechte Licht rückt, die aus dieser Begebenheit hervortritt.»
«Ich kann nur sagen, was ich bereits gesagt habe», antwortete Don Camillo. «Als Gott den Menschen die Gesetzestafeln geben wollte, hat er einen Menschen und nicht ein Pferd berufen! Glaubt ihr vielleicht, daß es mit Gott so schlecht bestellt ist, daß er jetzt die Hilfe eines Pferdes braucht? Die Begebenheit mag sich verhalten haben, wie sie will, jeder soll daraus eine Warnung ziehen, die ihm sein Gewissen eingibt. Und wenn euch das nicht paßt, dann lauft zum Bischof und sagt ihm, er soll mich wegschicken und an meine Stelle eines dieser beiden Pferde setzen.»
Indessen schäumte Romagnolo vor Wut, weil die Leute zu seinen Erklärungen mit den Achseln zuckten und die Köpfe schüttelten.
«Ja, ja, schon gut, nichts Außergewöhnliches und kein Wunder. Aber...»
Als nun Romagnolo Don Camillo traf, versperrte er ihm den Weg.
«Sie kommen mir gerade recht, Hochwürden. Könnte m an jetzt eine offizielle Erklärung über die Begebenheit mit den Pferden haben?»
«Sie irren sich nach wie vor in der Adresse», antwortete lächelnd Don Camillo. «Ich beschäftige mich weder mit Pferden noch mit anderen Tieren, Sie müssen sich an den Tierarzt wenden.»
Romagnolo hielt eine lange Rede, um das Verhalten der beiden Pferde zu erklären. Schließlich breitete Don Camillo die Arme aus. «Es ist mir klargeworden, daß dieses Ereignis auf Sie einen sehr großen Eindruck gemacht haben muß. Wenn es Ihnen ordentliche Gedanken eingibt, dann muß man der göttlichen Vorsehung danken, daß sie zwei unschuldigen armen Tieren gewährt, Ihnen vernünftige Gedanken beizubringen.»
Romagnolo hob drohend seinen mageren Finger.
«Die Pferde werden nicht stehenbleiben, wenn ich in der Totenlade an Ihrer Kirche vorbeifahre!»
Don Camillo breitete die Arme aus und ging, um dem Gekreuzigten ein paar Worte zu sagen.
«Jesus», flüsterte Don Camillo, «er macht diese Dummheiten nicht, um Dich zu beleidigen, sondern um mich zu ärgern. Denke gnädig daran, daß er ein Romagnolo ist, wenn er einmal vor Dir erscheint,
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