Don Camillo und seine Herde
eine fürchterliche Wut im Bauch. Gegen drei Uhr stand er auf, kleidete sich an und suchte in der Kirche Zuflucht.
«Jesus», sagte er, vor dem Hochaltar kniend, «wenn Du mir nicht hilfst, trifft mich noch der Schlag!»
Er betete eine Weile und flüchtete sich dann in den Beichtstuhl, in der Hoffnung, dort wieder ein wenig Frieden im Schlaf zu finden. Er schlummerte tatsächlich ein, wurde aber kurz darauf jählings aufgeweckt.
Wie in jener Nacht der Erscheinung mit dem grünen Hut, arbeitete auch diesmal jemand mit dem Sperrhaken am Schloß des Turmpförtchens.
Don Camillo wartete unbeweglich wie ein Stein, und siehe: Ein Mann betrat die Kirche und ging zum Hochaltar.
Der Mann war in einen schwarzen Mantel gehüllt; er holte etwas unter dem Mantel hervor und stieg über die Balustrade. Vor einem großen Leuchter links vom Altar blieb er stehen und steckte die große Kerze in den Leuchter, die er unter dem Mantel verborgen hatte.
Dann entflammte er ein Streichholz an der Schuhsohle und zündete die Kerze an.
Da konnte sich Don Camillo nicht mehr beherrschen und verließ den Beichtstuhl. Der Mann drehte sich mit einem Satz um und ballte die Fäuste, beruhigte sich aber gleich.
«Darf ich wissen, was der Herr Bürgermeister um halb vier in der Nacht im Hause Gottes zu suchen hat, in das er eingedrungen ist, nachdem er die Tür aufgebrochen hat?»
Peppone ließ sich nicht aus der Fassung bringen. Er zeigte auf den Gekreuzigten am Altar.
«Das ist unsere Sache, Hochwürden. Wir hatten uns geeinigt.»
«Was heißt geeinigt?»
«Wenn Er mich siegen ließ, sollte ich Ihm eine Kerze bringen.»
Don Camillo verlor die Ruhe.
«Vade retro!» schrie er. «Wie wagst du Unglücklicher, hier im Hause Gottes zu fluchen?»
«Wer flucht da?»
«Daß du glaubst, Christus habe eurer gottlosen Liste zum Sieg verholfen, ist ein Fluch! Wenn einer in die Kirche geht und zu Gott betet, er soll ihm einen Ehrenmann umbringen helfen, und es ihm gelingt, ihn umzubringen, dann ist er ein zweifacher Verbrecher, erstens, weil er mordet, und zweitens, weil er zu denken wagt, daß ihm Gott beim Mord geholfen, ihm geholfen hat, Sein heiliges Gebot zu verletzen.»
Peppone breitete die Arme aus.
«Ich habe niemanden umgebracht. Ich habe Gott gebeten, mich wieder zum Bürgermeister zu machen. Und Gott hat mir geholfen. Oder ist es vielleicht ein Verbrechen, Bürgermeister zu werden?»
Don Camillo erhob drohend den Finger.
«Es ist ein Verbrechen, für einen Feind Christi zu arbeiten! Du stehst im Dienste des Feindes Gottes, und du glaubst, daß dir Gott zum Sieg Seines Feindes geholfen hat?»
Peppone zuckte mit den Achseln.
«Es hat gar keinen Zweck, die Politik in die Sache hineinzuziehen», antwortete er, «das hat mit den Feinden Gottes nichts zu tun; hier ist ein Mensch, der dem lieben Gott eine Kerze anzündet, weil ihm der liebe Gott geholfen hat, wieder Bürgermeister zu werden.»
Don Camillo ballte die Fäuste und ging entschlossen auf die große Kerze los.
«Wenn Sie sie auslöschen, schlage ich Ihnen den Schädel sein!» schrie Peppone und packte einen Leuchter.
«Ich werde bestimmt keine Schlägerei auf den Treppen des Altars erlauben», sagte Don Camillo. «Dieses gottlose Licht soll nur brennen. Es ist eine flammende Beleidigung Gottes, und Gott wird dich für diese Frevel tat bestrafen!»
Peppone wich zurück und verließ die Kirche durch die Sakristei und das Turmpförtchen.
«Hochwürden», murmelte er noch im Weggehen, «es ist zwecklos, solche Worte aus dem Troubadour und aus der Macht des Schicksals hervorzuholen. Meine Kerze kann ruhig brennen. Mein Gewissen ist rein. Gott weiß es. Wüßte er es nicht, hätte er mich nicht die Wahlen gewinnen lassen.»
«Weg von hier!» brüllte ihm Don Camillo nach. Peppone war aber schon weg.
Don Camillo ging vor dem Altar hin und her, blieb dann stehen, richtete die Augen auf den gekreuzigten Christus und breitete die Arme aus.
«Jesus», sagte Don Camillo, «Du hast ihn gesehen und gehört, hat er nicht hier in Deiner Gegenwart geflucht?»
Christus lächelte.
«Don Camillo», sagte er liebevoll, «Don Camillo, vor allem muß man auf Gott vertrauen, an Gott glauben. Man muß an ein höheres Wesen glauben, das alles geschaffen hat und über alles waltet und am Ende die Bösen strafen und die Guten belohnen wird. Sei nicht zu streng mit Peppone; schlimmer ist, wenn jemand gegen die Roten stimmt, aber nicht an Gott glaubt, als wenn jemand für die Roten stimmt und an
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