Don Camillo und seine Herde
Sklaven des Auslandes, von den Feinden Christi», und alle klatschten Beifall.
Gegen Abend sprach dann Peppone von derselben Tribüne.
Der Platz war zum Bersten voll, weil alle erwarteten, daß Peppone wie ein Verrückter brüllen und noch alles mögliche passieren werde.
Peppone brüllte aber nicht, er sprach wenig und mit ruhiger Stimme.
«Mitbürger», sagte er, «ich grüße euch. Meine Partei kann mir befehlen zu sagen, was sie will, aber ich sage euch, was ich will. Ich bin hier, um euch einfach zu begrüßen. In den letzten Jahren haben ich und meine Kameraden einen ganzen Haufen Dinge vollbracht; ich weiß nicht, was davon gut und was eine Dummheit war. Immerhin, wenn wir uns geirrt haben, geschah das nicht aus Mangel an gutem Willen, sondern es war eine Folge unserer Unwissenheit und geringen Erfahrung. Ich war vielleicht als Bürgermeister der größte Dummkopf auf der Welt, aber ich kann euch versichern, daß es meine Absicht war, Gutes für das Dorf zu tun.»
Peppone wischte sich den Schweiß ab, der ihm nur so von der Stirn rann.
«Mitbürger! Wir haben keine Hoffnung auf den Sieg, und wir haben überhaupt nur eine Liste aufgestellt, weil wir sehen wollen, ob ihr uns nun mit einem Fußtritt ins Hinterteil oder doch mit einer kleinen Anerkennung wegschicken wollt. Wir wollen nur sehen, ob wir wenigstens ein gutes Abgangszeugnis verdient haben oder nicht einmal das. Wir sind wie Schüler, die ihre Aufgabe gemacht haben und sie der Frau Lehrerin vorlegen. Jetzt wird man sehen, ob wir einen Fünfer oder einen Einser oder wenigstens ein Genügend verdient haben. Nun, jeder soll freimütig sein Urteil fällen, und wenn wir nicht mehr im Gemeinderat sein werden, dann versagt uns nicht euren Gruß, denn wenn wir euch auch manchmal auf die Hühneraugen gestiegen sind, so haben wir es nicht absichtlich getan. Errare umanorum.»
Peppone suchte in der Tasche herum und holte etwas hervor.
«Mitbürger», sagte er, «als ich vor fünf Jahren Bürgermeister wurde, hatte ich in der Tasche eine Zigarre und 500 Lire; jetzt, da ich fünf Jahre lang Bürgermeister bin, habe ich in der Tasche 280 Lire und eine halbe Zigarre: Das ist meine Geschichte.»
Don Camillo hörte hinter den halbgeschlossenen Fensterläden des Pfarrhofes zu, und der Mund blieb ihm vor Verwunderung offen.
«Wenn mir jetzt etwas zustößt», fuhr Peppone fort, «dann stehe ich da, arm wie eine Kirchenmaus, ich kann mir nicht einmal das Gesicht mit Weihwasser kühlen und muß mich wie einen Koffer voller Fetzen auf den Friedhof bringen lassen; das ist alles, was ich verdient habe. Ich habe euch nichts anderes zu sagen, Mitbürger. Ich möchte jetzt noch schreien, darf es aber nicht, weil man mich sonst beschuldigen würde, das Vaterland für die Parteipolitik auszunützen...»
Peppone nahm mit einer weit ausholenden Geste den Hut ab.
«Guten Abend, meine Herren», schloß er.
Die Leute waren fassungslos; man sah Peppone von der Tribüne herabsteigen und in Begleitung seiner Garde Weggehen.
Es gab keinen einzigen Ausruf.
Der Platz leerte sich langsam, und erst als der Platz leer war, begann Don Camillo wieder zu denken. So etwas hatte er wirklich nicht erwartet.
Peppone streckte die Waffen.
Es kam die Nacht und dann der Morgen des denkwürdigen Wahlsonntags. Don Camillo ging gegen zehn Uhr wählen. Peppone und die Seinen wählten einzeln, und alles verlief ohne Zwischenfall.
Man wählte auch am Montag bis zwei Uhr nachmittags.
Dann wurde das Dorf allmählich menschenleer, und es kam der Abend.
Dienstag mittag kam Barchini in den Pfarrhof; die Augen quollen ihm heraus.
«Hochwürden», stöhnte er, «die Roten haben gewonnen!»
Don Camillo sprang auf und ballte die Fäuste, dann setzte er sich wieder nieder.
Er hatte Lust, zu den Glocken zu laufen und zum Begräbnis zu läuten, er hatte Lust, zu brüllen und mit den Fäusten auf den Tisch zu schlagen.
Er tat nichts Derartiges.
«Wir werden den Ort von den roten Eindringlingen, von den Sklaven des Auslandes, von den Feinden Christi befreien...» Ihm kam die großspurige Rede des «Großkopfeten» in den Sinn, der aus der Stadt gekommen war, um das Volk für seine Partei zu gewinnen.
«Idiot!» schrie er. «Mit allen seinen Diplomen und mit seiner ganzen Bildung hat er sich von einem Kerl, der nicht einmal mit einem Glas ein < 0 > machen kann, überrumpeln lassen!»
Auch in dieser Nacht konnte Don Camillo in seinem Bett nicht die richtige Lage finden, er hatte
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