Don Camillo und seine Herde
begriff die Stichhaltigkeit dieser Einwände. «Richtig», antwortete er, «wir müssen die Zeit kürzen. Ladet mich auf ein Auto und bringt mich zu ihm.»
Der Arzt, der noch im Nebenzimmer war und alles gehört hatte, trat hervor.
«Tirelli», sagte er, «hören Sie auf mich, wenn Sie überhaupt noch auf meine Meinung Wert legen. Was Sie da sagen, ist heller Wahnsinn. Sie werden nicht einmal drei Kilometer fahren können. Warum wollen Sie auf der Straße sterben wie ein Hund? Sterben Sie schön in Ihrem Bett und nützen Sie diese letzten Atemzüge aus, die Ihnen der liebe Gott noch schenkt, sich auf den letzten Weg vorzubereiten. Gott ist gleich - hier und dort oben am Berg, und unser Hochwürden ist genauso ein Priester wie Don Camillo.»
«Ich weiß», hauchte der Alte. «Ich will aber Don Camillo nicht unrecht tun. Unser Hochwürden muß das verstehen. Das heißt, er wird mich auf der Reise begleiten. Wenn ich das Gefühl habe, ich sterbe, dann werde ich auch vor ihm meine Beichte ablegen. Rasch, beeilt euch!»
Der alte Tirelli war noch am Leben und darum Herr über sich selbst und sein Haus. In aller Eile wurde ein Krankenwagen besorgt, man lud den Alten und das Priesterlein auf und fuhr los. Der jüngste Tirelli und sein Sohn bestiegen das Motorrad und folgten dem Krankenwagen.
Das Auto fuhr mit der ganzen Kraft seiner vier Zylinder; der alte Tirelli rief aber von Zeit zu Zeit: «Schnell! Ich habe es eilig!»
Als der Wagen bei der Einmündung des berüchtigten Maultierweges, der ins Dorf hinaufführte, angekommen war, lebte der alte Tirelli noch immer. Der Sohn und der Enkel brachten den Alten samt der Bahre aus dem Wagen und begannen den Maultierweg emporzuklettern. Der alte Tirelli war ohnedies nur noch ein Skelett, das ein wenig Haut, ein wenig Nerven und vor allem ein ungeheurer Eigensinn zusammenhielten. So war die Last nicht schwer. Das Priesterlein folgte der Bahre, und so gingen sie etwa zwei Stunden.
Endlich hatte man das Dorf vor sich. Das Kirchlein war nur noch zweihundert Meter entfernt. Der alte Tirelli hatte die Augen geschlossen, sah es aber trotzdem.
«Danke, Hochwürden», flüsterte er zum Priesterlein, «ich werde mich schon für die Mühe erkenntlich zeigen.»
Das Priesterlein errötete, trat den Rückweg an und hüpfte über die Steine des Maultierweges.
Don Camillo saß vor dem Türchen der Hütte, die als Pfarrhof diente, rauchte melancholisch seine gewohnte Zigarre, und als er den merkwürdigen Zug mit der Bahre und den beiden Tirelli sah, machte er vor Staunen den Mund auf.
«Er hat unbedingt gewollt, daß wir ihn herbringen», erklärte Tirellis Sohn. «Er will beichten.»
Don Camillo hob den Alten samt Matratze und Decken von der Bahre, trug ihn vorsichtig ins Haus und legte ihn sanft auf sein Bett.
«Was sollen wir jetzt tun?» fragte Tirellis Sohn unter der Tür. Und Don Camillo bedeutete ihm, daß er zu verschwinden habe. Dann setzte er sich zum alten Tirelli ans Kopfende; der Sterbende war eingeschlummert, als er aber Don Camillo wispern hörte, machte er die Augen auf.
«Ich bin gekommen, weil ich Ihnen nicht unrecht tun wollte», erklärte er mit schwacher Stimme.
«Was Sie da sagen, ist unerhört und eine wahre Lästerung Gottes!» erwiderte Don Camillo. «Priester sind keine Krämer, sie sind Diener Gottes. Wenn einer beichtet, ist nur die Beichte an sich wichtig. Darum sitzt der Priester hinter dem Gitter, das sein Gesicht verdeckt. Wenn Sie beichten, dann erzählen Sie Ihre Sünden nicht dem einen oder dem andern Priester, Sie vertrauen sie Gott an. Und wenn Sie während der Reise gestorben wären?»
«Ich hatte einen Begleitpriester mitgenommen», flüsterte der Alte. «Ich hätte ihm gebeichtet. Ich hätte auch ihm meine Sünden ruhig sagen können... Ein armer Teufel, der sein ganzes Leben lang anständig von früh bis abends gearbeitet hat, hat keine Zeit zu sündigen... Ich wollte Sie nur begrüßen, bevor ich die große Reise antrete. Und ich wollte, daß Sie mich auf den Friedhof begleiten. Wenn man mit Don Camillo die Reise antritt, fühlt man sich sicher...»
Der Alte beichtete Don Camillo alle seine Sünden, und es waren Sünden wie von einem Kind. Der Priester segnete ihn.
«Don Camillo», flüsterte zum Schluß der Alte, «wenn ich nicht gleich sterbe, werden Sie eine Wut bekommen?»
Es war zwecklos, mit ihm zu reden, weil der alte Tirelli nicht scherzte; es war sein Ernst.
«Machen Sie es sich nur bequem», antwortete Don Camillo. «Auch wenn
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