Don Camillo und seine Herde
Sturm aufgewühlt. Die Flüsse begannen anzuschwellen, und da der Regen nicht aufhörte, untergruben die Fluten die Dämme und überschwemmten die Städte und bedeckten ganze Siedlungen mit Schlamm.
Der große Fluß wurde immer drohender, und die Fluten drückten immer heftiger gegen die Dämme und stiegen ununterbrochen.
Als der Krieg die Gegend heimgesucht hatte, war ein Stück des Dammes eingerissen worden, die Stelle hieß Pioppaccia und war erst vor zwei Jahren ausgebessert worden.
Jetzt schaute die ganze Gegend angstvoll auf Pioppaccia, weil alle überzeugt waren, daß beim weiteren Ansteigen des großen Flusses der Dammbruch bei Pioppaccia eintreten werde.
Das Erdreich konnte sich noch nicht genügend gesetzt haben, das Wasser würde einsickern und den Damm aufreißen. Der übrige Damm würde, wie so oft schon, sehr gut widerstehen können, Pioppaccia aber nicht.
Die Angst stieg zugleich mit dem Wasser. Es kamen Techniker aus der Stadt und erklärten, daß der Damm bei Pioppaccia halten werde. Gefährlich sei aber die Lage doch, die Leute sollten auf jeden Fall die Häuser räumen und nicht bis zum letzten Augenblick warten. Um zehn Uhr vormittags fuhren die Techniker fort. Um elf war der Fluß noch weiter gestiegen, und auf die Angst folgte eine Panik.
«Wir werden nichts mehr retten können!» sagte jemand. «Der Damm wird bei Pioppaccia nachgeben, und alles wird verloren sein. Es gibt nur noch eine Rettung: den Fluß überqueren und am anderen Ufer den Damm einreißen.»
Niemand wußte, wer diese Gemeinheit als erster ausgesprochen hatte; Tatsache ist, daß einige Minuten später das ganze Dorf davon überzeugt war, daß die einzige Rettung wäre, am anderen Ufer den Damm einzureißen. Achtzig Personen von hundert waren fieberhaft mit den Überlegungen beschäftigt, wie man am wirksamsten den anderen Damm aufreißen könnte.
Es schien bereits unabwendbar zu sein; jemand würde es schon zustande bringen, den Fluß zu überqueren und den Damm einzureißen.
Der Regen hörte aber plötzlich auf. Für eine kurze Zeit erleichterte die Hoffnung, daß die Fluten fallen werden, die Herzen. Da hörte man, wie die Glocken mit dem Hammer angeschlagen wurden, und das ganze Dorf lief am Kirchplatz zusammen.
«Brüder», sagte Don Camillo, als er den von Leuten wimmelnden Platz sah. «Es bleibt uns nur noch eins übrig - keine Zeit zu verlieren und in aller Ruhe die wichtigsten Sachen in Sicherheit zu bringen.»
Es fing wieder zu regnen an.
«Die Zeit ist kurz! Der Damm wird bei Pioppaccia nicht halten!» brüllten die Leute.
«Er wird halten», antwortete Don Camillo. «Ich bin davon so überzeugt, daß ich jetzt losgehe und mich auf den Damm bei Pioppaccia stelle und mich nicht von dort rühre. Wenn ich mich täusche, so zahle ich drauf!»
Don Camillo spannte seinen riesigen Regenschirm auf und ging auf den Damm zu, und die Leute folgten ihm. Und sie folgten ihm, als er auf den Damm stieg und den Weg nach Pioppaccia einschlug. Aber mit einemmal blieb die Menge stehen, weil dort das neue Dammstück begann.
Don Camillo drehte sich um.
«Jeder räumt nun in aller Ruhe sein Haus», schrie er. «Ich warte inzwischen bei Pioppaccia, bis ihr fertig seid.»
Er ging weiter und blieb nach fünfzig Metern stehen, gerade an der Stelle, wo der Damm nachgeben sollte. Die Leute waren fassungslos und schauten bald auf das Wasser, bald auf den Priester.
«Ich komme und leiste Ihnen Gesellschaft, Hochwürden!» schrie eine Stimme. Peppone löste sich aus der Menge, und jetzt schauten alle auf ihn.
«Der Damm hält, es ist keine Gefahr», schrie Peppone. «Niemand soll also Dummheiten machen, alle sollen den Befehlen des Vizebürgermeisters folgen und die Häuser planmäßig räumen. Ich warte inzwischen hier, um euch zu zeigen, daß ich dessen sicher bin, was ich sage.»
Als die Menge beide, den Priester und den Bürgermeister, auf dem Damm auf der Höhe von Pioppaccia sah, verfiel sie plötzlich in Raserei, und alle liefen in ihre Häuser, begannen das Vieh aus den Ställen zu führen und die Karren zu beladen.
Die Räumung begann. Inzwischen regnete es, und das Wasser zeigte keine Lust zu fallen.
Peppone und Don Camillo saßen auf zwei großen Steinen und warteten unter dem Regenschirm.
«Hochwürden», sagte plötzlich Peppone. «Wenn Sie immer noch droben auf jenem Berg wären, wo Sie noch bis gestern waren, würden Sie sich bestimmt besser fühlen.»
«Ich glaube nicht, sonst hätte es mir der Bischof nicht
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