Don Camillo und seine Herde
hat, fing das Unglück an...»
Der gekreuzigte Christus vom Hochaltar war innig mit dem großen Fluß verbunden, weil man ihn jedes Jahr in einer großen Prozession auf den Damm trug, wo dann die Segnung der Fluten stattfand. Die alten Weiber schüttelten den Kopf.
«Solange Er da war, hat Er uns beschützt, und jetzt ist Er nicht mehr da.»
Und in demselben Maße, in dem der Fluß dauernd anstieg, redete man immer mehr vom Kruzifix, und selbst die gescheitesten Köpfe begannen Unsinn zu reden. So fand eines Morgens der alte Bischof eine Abordnung in seinem Arbeitszimmer vor, die aus dem Dorf gekommen war, um ihm ihr eigenes und das Anliegen der übrigen Gläubigen vorzubringen.
«Exzellenz», baten sie, «geben Sie uns unser Kruzifix zurück. Wir müssen sofort eine große Prozession auf dem Damm veranstalten. Man muß die Fluten segnen, sonst wird das ganze Dorf vom Hochwasser verschlungen.»
Der alte Bischof seufzte schmerzlich.
«Brüder», sagte er. «So also ist euer Glaube? Gott ist also nicht in euch, er hat euch verlassen, weil ihr an ein Abbild aus Holz glaubt und ohne dieses verzweifelt seid.»
In der Abordnung gab es auch Leute, die den Kopf an der rechten Stelle hatten. Der alte Bonesti trat hervor.
«Exzellenz», rief er, «es fehlt nicht am Gottesglauben. Uns fehlt der Glaube an uns selbst. In jedem von uns lebt zum Beispiel die Vaterlandsliebe; wenn man aber im Krieg vor einem Angriff steht, ist es notwendig, die Regimentsfahne wehen zu sehen. Die Fahne hält den Glauben an unsere Stärke lebendig, und wir brauchen sie, auch wenn der Glaube an das Vaterland in uns ist. Exzellenz, dieser gekreuzigte Christus ist unsere Fahne, und Don Camillo ist der Fahnenträger. Wenn wir unsere Fahne wieder sehen, werden wir wieder das Vertrauen an unsere eigene Kraft gewinnen und werden mutiger gegen das Unglück kämpfen.»
Der alte Bischof breitete die Arme aus.
«Gottes Wille geschehe.»
Und die Einholungsabordnung war nach Monterana abgegangen, und nun war sie da.
6
Don Camillo kehrt heim
Als Don Camillo aus dem Kirchlein trat, hatte er das große Kruzifix auf den Schultern. Er schlug den üblichen Maultierweg ein und begann abzusteigen. Das Kreuz war diesmal federleicht.
Unten stand Peppones alter Jeep, den er Taxi nannte und der für den Transport von Menschen und Waren diente. Don Camillo stieg mit dem wie eine Fahne aufgerichteten Kruzifix ein.
Ein alter Lastwagen, der die Leute von der Bruciata gebracht hatte, wartete auch dort, und als sich Peppone in Bewegung setzte, folgte er dem Jeep.
An der Mündung des andern Maultierweges standen die zwei mächtigen, glänzenden Autos der Filotti; im ersten saß Gina mit dem Kind im Arm, während Mariolino neben ihr lenkte. Mariolino reihte sich mit seinem Wagen zwischen dem Jeep und dem Lastwagen der roten Bande ein. Der zweite Wagen der Filotti fuhr hinter dem Lastwagen der Roten.
Dann erschien natürlich auch Smilzo, der in einer Staubwolke auf dem Motorrad gekommen war, weil er wegen des langen Ausbleibens seines Capos in Sorge gewesen war. Als er sah, wie die Dinge standen, drehte er um und fuhr wie ein Vorreiter allen voran.
Am Dorfeingang wartete die gesamte Einwohnerschaft, und Don Camillo hielt das Kruzifix hoch, wie eine Fahne.
7
Es regnet
Nach der ersten Messe kam Don Camillo aus der Sakristei. Die Leute drängten sich um ihn. Alle riefen:
«Prozession, Prozession!»
«Christus ist wieder auf dem Altar und rührt sich nicht von dort», antwortete Don Camillo. «Er wird sich erst nächstes Jahr wieder rühren, am Tag der Segnung der Fluten. Heuer sind die Fluten schon gesegnet worden.»
Ein Weiblein fiel ein:
«Ja, aber das Wasser steigt immer mehr!»
«Jesus weiß das ganz gut», erwiderte hart Don Camillo. «Es ist nicht nötig, daß jemand sein Gedächtnis auffrischt. Ich kann nur bitten, daß er uns die Kraft gibt, unsere Leiden heiteren Herzens zu ertragen.»
Die Leute aber waren von der Angst besessen, daß das Wasser den Damm durchbrechen könnte, und wollten unbedingt die Prozession haben, worauf Don Camillo noch härter wurde.
«Ja, die Prozession! Wir werden aber kein hölzernes Kreuz durch die Straßen tragen, sondern den wahren Christus im Herzen tragen! Jeder soll so seine eigene Prozession machen. Habt Vertrauen zu Gott, nicht zu einem Abbild aus Holz! Dann wird euch Gott helfen.»
Es regnete weiter. Und es regnete übrall. In der Ebene und im Gebirge. Die Blitze spalteten alte Eichen, und das Meer war vom
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