Don Fernando erbt Amerika
ihn.
»Nicht der Fernando Colon? Sind Sie verwandt mit Cristoforo Colon?«
»Ja«, sagte Fernando halb erstaunt, halb erfreut. »Cristoforo Colon, oder Christoph Columbus, wie man hier sagt.«
Er machte eine kleine Pause. Jetzt kam der schwierige Teil. Er schluckte. Bis jetzt hatte es noch nie geklappt, wenn er den Leuten nicht sein Schwert unter die Nase gehalten hatte. »Mein Vater.«
»Das hab ich jetzt nicht gehört«, sagte Kathrin. »Wie war das?«
»Mein Vater«, knirschte Fernando, »und nicht so laut, bitte.«
»Sie sind bekloppt«, sagte Kathrin und wollte aufstehen. Fernando hielt sie zurück.
»Lassen Sie mich doch wenigstens erzählen, ja? Geben Sie mir eine Chance, okay? Sie sind doch Journalistin, oder? Das hier ist die größte Story, die Sie je haben werden.«
»Der größte Blödsinn, den ich je hören werde«, sagte Kathrin, fast schon erweicht.
»Aber immerhin bei einem hervorragenden Essen«, sagte Fernando gewinnend – und Kathrin setzte sich wieder.
»Also gut«, sagte sie, »dann fangen Sie mal an.«
Fernando fing an.
»Sie glauben mir?«, fragte Fernando ungläubig. Sie hatten das Dessert schon lange hinter sich. Der Raum war inzwischen ziemlich leer und Fernando und Kathrin waren bei der dritten Flasche Wein.
»Ich glaube alles«, verkündete Kathrin leicht angeheitert. »Nur weiß ich immer noch nicht, warum Sie den Bürgermeister entführt haben.«
»Schschsch!«, machte Fernando. »Dazu komme ich ja gerade: Ich war damals noch jung. Dass mein Vater so berühmt war, kotzte mich an, weil ich genau wusste, dass er überhaupt nichts Besonderes getan hatte, außer sich als Erster die Karten einmal richtig anzusehen. Eigentlich wollte ich gar nichts mehr mit ihm zu tun haben. Und als er gestorben war, ging ich zunächst auf Wanderschaft durch Europa. Ich bin nämlich ein echter Bibliophiler.«
»Pfui!«, sagte Kathrin schläfrig. »Und weiter?«
»Ja. Dann kam ich nach Nürnberg. Und die hatten Bücher hier, unglaublich. Lauter Besonderheiten. Lauter wunderschöne Drucke. Ich bestellte und kaufte und ließ mir kistenweise Bücher ins Haus schicken.
Bis die Rechnungen kamen. Da wurde mir dann auf einmal klar, dass ich definitiv nicht genug Geld hatte, denn das lag alles in Spanienund Venedig. Von den Buchhändlern akzeptierte aber keiner meine Wechsel bei der Banka Rotta in Italien. Der bargeldlose Geldverkehr ist ja noch nicht mal heute in ganz Nürnberg möglich.«
Kathrin sah zur Sicherheit in ihrem Portemonnaie nach. Nein. Sie hatte nicht genug Geld dabei, falls Colon nicht bezahlen konnte. Das konnte ja heiter werden.
»Also habe ich denen zur Sicherheit ein Dokument dagelassen und bin losgezogen, um mir möglichst schnell Geld zu besorgen. Als ich aber nach achtzehn Tagen mein Geld per reitendem Boten von Venedig erhalten hatte, war mein Dokument weg. Die Buchhändler behaupteten, ich sei zu spät und der Burggraf hätte es ihnen abgekauft. Wie es das Schicksal will, starb der Burggraf überraschend, bevor ich ihn aufsuchen konnte. Und in seinem Nachlass fand sich mein Dokument leider nicht. Er musste es ins Archiv geschafft haben. Und ins Archiv, meine Liebe, kommt nicht einmal der Teufel persönlich, wenn er sich nicht angemeldet hat.
Ja. Und dann musste ich unverrichteter Dinge abziehen, und es ist die Sache mit dem See passiert, und ich bin seitdem unsterblich. Schön, gell?«
Kathrin sah ihn mit glasigen Augen an. Die Erkältung und der Wein nach dem opulenten Essen taten ihre Wirkung:
»Von was für einem blöden Dokument reden Sie eigentlich die ganze Zeit? Ich scheine da was verpasst zu haben, oder?«
»Entschuldigung«, sagte Fernando höflich. »Ich denke so oft daran, dass ich manchmal vergesse, dass es nicht jeder kennt. Passen Sie auf!«
Er fing an zu rezitieren, mit monotoner, leiser Stimme:
»Gegeben in unserer Stadt Granada, den 30. April 1492. Wir, Ferdinand und Isabella, von Gottes Gnaden König und Königin von Kastilien, Leon, Aragonien, Sizilien, Granada, Herzöge von Athen und Neopatrien, Grafen von Roussillon und Sardinien etcetera etcetera … verordnen ihre katholischen Majestäten als Oberherrn der westlichen Meere den Christoph Kolumbus von nun an auf alle folgenden Zeiten zu ihremAdmirale in allen Inseln und festen Ländern, die er in besagten Meeren entdecken und erobern wird, sowie zum Statthalter und Unterkönig über die zu entdeckenden und eroberten Länder, auch über das Gebiet, das im Verfolge seiner Reise von einem anderen
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