Don Fernando erbt Amerika
sondern eher um ihr Privatleben, das der junge Polizist mit den ölverschmierten Händen genauer erforschen wollte. Und ob sie schon einmal mit 80 Sachen durch die Fußgängerzone gebrettert sei. Er würde sie gerne einmal einladen, samstagmorgens oder so. Kathrin erwog kurz, die journalistischeMethode der verbalen Ohrfeige anzuwenden, zog dann jedoch einen kräftigen Tritt gegen das Schienbein des Polizisten vor. Das Telefon klingelte. Köberlein verschluckte sich an einem Stück altbackenem Croissant und hob ab.
»Ja, Köberlein.«
Dann nickte er. Nickte noch einmal. Nickte wieder. Dann sah er erstaunt auf Kathrin und winkte ihr zu. Sie kam näher. Köberlein hielt die Sprechmuschel zu.
»Er will mit Ihnen sprechen«, sagte er und hielt ihr den Hörer hin. »Halten Sie ihn hin!«
Kathrin nahm den Hörer und sagte zögernd: »Ja?«
Die Stimme des Entführers meldete sich: »Sie sind doch die reizende Journalistin, die mich fotografiert hat, nicht wahr? Teilen Sie dem Herrn Polizeipräsidenten mit, dass ich nur noch mit Ihnen zu sprechen wünsche. Ich rufe Sie in einer halben Stunde wieder an, aber jetzt bin ich etwas in Eile.«
Er zögerte einen Augenblick, dann fügte er noch hinzu: »Für eine Deutsche sind Sie recht hübsch«, und legte auf.
Kathrin ließ den Hörer sinken.
»Zu kurz«, sagte Köberlein resigniert, »natürlich wieder zu kurz.«
Von hinten meldete sich eine Stimme: »Wir haben’s, Chef! Ein Privatanschluss in Gostenhof.«
»Natürlich«, sagte Köberlein matt, »es klappt ja nie … Wie war das? Sie haben’s? Los, los, los!«, schrie er und alles raste los. Nur Kathrin blieb im Zimmer zurück. Allein.
Und heiser, schrecklich erkältet und furchtbar zerschlagen.
Sie setzte sich auf Köberleins Sessel. Das Telefon klingelte wieder. Sie nahm ab.
»So«, sagte der Mann am anderen Ende, »jetzt geht’s wieder. Würden Sie heute Abend eventuell mit mir essen gehen?«
Eines der Hauptprobleme der Einsatzkolonne der Nürnberger Polizei lag darin, dass die Austraße, in der sich die Wohnung des Entführersbefand, durch einen unendlich langen Stau blockiert wurde, an dessen Ende die Polizisten ein gevierteiltes Auto fanden.
Ein weiteres Problem war, dass ein kleiner, schmieriger und fetter Mann mittels eines halben (im wörtlichen Sinne) Kanisters Benzin die Wohnung des Entführers angezündet und somit sämtliche Spuren vernichtet hatte, die vielleicht in den Zimmern gewesen wären. Nur ein Zettel hing noch an der Tür: »Wir machen Inventur. Kommen Sie nächste Woche wieder.«
Köberlein, der sonst nicht zu Überreaktionen neigte, gab Befehl, den Hausmeister wegen Beihilfe zu verschiedenen Straftaten zu verhaften, und ermunterte die Beamten, bei der Verhaftung nicht zimperlich zu sein.
Im Keller hätten die Beamten eine mit vielen roten Herzchen verzierte Unterhose gefunden, denn Fernando war vielleicht Ausländer, aber kein Unmensch. Er hatte dem Bürgermeister Wäsche zum Wechseln mitgebracht. Nette Wäsche.
Im Keller aber suchte kein Mensch.
14
Das Adjektiv, das Christoph beim Aufwachen durch den Kopf schwirrte, war »unmöglich«. Vor allem der Umlaut verhakte sich immer in den Kurven der Ganglien und verursachte rasende Kopfschmerzen. Es war auf der Suche nach einem Hauptwort. Christoph wollte es dabei nicht stören, er wollte schlafen. Aber das »Unmöglich« machte einen schrecklichen Lärm bei seiner Suche. Christoph bot »Schnapsmenge«, »Außerirdischer« und »Langlebigkeit« an, aber das Adjektiv zischte nur böse. Christoph machte seufzend die Augen auf. Bébé lag neben ihm auf dem Boden. Aus irgendeiner Küche drang Lärm. Christoph erbleichte. Womöglich war er in einer Zeitschleife gefangen. Er bot dem Adjektiv »Déjà-vu« an, kam aber zu einem schmerzlich negativen Ergebnis. Auf dem Weg zum Klo merkte er, dass er zumindest in seiner eigenen Wohnung war. Als er an der Küche vorbeikam, machte er Halt. Er zögerte. Dann nahm er seinen Mut zusammen und klinkte, auf alles gefasst, die Türe auf.
»Na«, sagte Gilead, der in irgendwelchen Töpfen herumrührte, »wieder fit?«
»Klo?«, krächzte Christoph und musste grinsen.
»Wie?«, fragte Gilead verblüfft.
»Nichts«, antwortete Christoph, »ich finde es schon alleine.«
Als er zurückkam, saßen Bébé und Gilead am Tisch, und Gilead versuchte, Bébé davon zu überzeugen, den Inhalt des Glases zu trinken, das er vor ihn hingestellt hatte. Bébé konnte zwar die Augen noch nicht öffnen, behauptete
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