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Don Fernando erbt Amerika

Titel: Don Fernando erbt Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ewald Arenz
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grinste und streckte ihm die Zunge raus. Christoph fragte weiter: »Was für eine Art … mhm … Künstler bist du eigentlich auf Siron gewesen?«
    Gilead wand sich wieder: »Na ja, das war verschieden«, presste er heraus, »umfasste eine Menge Fertigkeiten, du weißt schon: Zeichnen, Modellieren, Objekte aufbauen und so …«
    »Das reicht mir nicht«, sang Christoph fröhlich, »bitte spezifiziere.«
    »Also gut«, sagte Gilead, in die Ecke gedrängt. »Sagt dir der Begriff Meisterdieb etwas?«
    Er machte eine kleine Pause.
    »Seid ihr jetzt sauer, oder was? Enttäuscht? Mein Gott, auf Siron ist Meisterdieb wirklich ein Künstlerberuf. Kein sehr anerkannter«, fügte er hinzu, »aber immerhin. Manche von uns sind in Ehren alt und reich geworden.«
    Bébé grinste: »Sie haben sich nicht erwischen lassen und nach der Verjährungsfrist Ihre Memoiren herausgegeben, ja?«
    Gilead sah verlegen zu Boden:
    »Ja!«
    »Weißt du«, sagte Christoph, »du könntest deinen terranischen Sprachschatz etwas aufpolieren. Dein Beruf heißt bei uns Politiker. Und was tun wir jetzt?«
    »Wir geben Colon das Dokument«, sagte Bébé, »und die Sache hat sich. Unter der Bedingung allerdings«, fügte er nachdenklich hinzu, »dass er den Bürgermeister behält.«
    »Ich kann ihm unmöglich das Dokument geben und sagen: ›Sorry, Don Fernando, aber ich bin aufgehalten worden.‹ Mein Gott«, sagte Gilead und sah die beiden Freunde an, »versteht ihr denn nicht? Der Mann sucht seit fünfhundert Jahren nach dem Stück Papier. Was glaubt ihr, wie sauer der ist?«
    »Wir erklären ihm das«, sagte Christoph, »und jetzt rufen wir mal Kathrin an. Vielleicht weiß die mehr.«
    Gilead blickte sehr zweifelnd. Er wusste, was fünfhundert Jahre Frustration einem Mann antun können. Er ist dann nicht mehr freundlich zu blinden, alten Mütterchen, die über die Straße wollen. Er neigt dazu, die Farben zu verwechseln und »Jetzt können Sie rüber!« nicht imganz richtigen Moment zu sagen. Mein Gott, was ist eine halbe Minute gegen fünfhundert Jahre!
    Kathrin und Fernando saßen auf dem kleinen Sofa in Kathrins Wohnzimmer.
    Fernando hatte vierhundertfünfundsiebzig Jahre lang ein kleines, aber nicht ganz unwichtiges Gefühl erfolgreich und komplett aus seinem Bewusstsein verdrängt. Aus gutem Grund. Hätte er zugelassen, dass dieses Gefühl sich nur einmal aus der Ferne in seiner Seele zeigte, wäre er schon vor sehr langer Zeit weinend zusammengebrochen und hätte – natürlich vergeblich – versucht, sich das Leben zu nehmen. Das hätte seinem Selbstwertgefühl keinesfalls gutgetan, ganz abgesehen davon, dass er keinem einzigen seiner Gefährten jemals wieder in die Augen hätte sehen, geschweige denn ihnen Befehle hätte geben können. Eiserne Disziplin hatte ihn dahin geführt, wo er heute war – ausgerüstet mit einer kleinen, aber sehr gut trainierten Streitmacht, die durchaus in der Lage war, einen kleineren Staat erfolgreich zu überrennen. Aber eben nur einen kleineren.
    Kathrins Tonfall nun holte das Gefühl binnen einer Sekunde hervor.
    »Sie haben also zehn Prozent der Gesamteinnahmen aus den beiden Amerikas für zweihundert Bücher verkauft? Die Zinsen bis heute nicht gerechnet?«
    Das Gefühl hatte einen Namen. Es hieß: »Extreme, nicht überbietbare, historisch einmalige und typisch männliche Dämlichkeit!«
    Fernando sagte nichts. Aber Kathrin.
    »Und dieses Dokument ist im Archiv, ja?«
    Fernando nickte.
    »Und Sie haben es in fast fünfhundert Jahren nicht finden können, ja?«
    Das Gefühl hatte sich Verstärkung geholt – ein kleineres Panzerbataillon, aus dessen Kanonenrohren kleine Fähnchen herausschossen,auf denen in blutroten Buchstaben »Trottel« zu lesen war. Fernando schwitzte.
    »Äh, ja.«
    Dann machte er einen schwachen Versuch, sich zu rechtfertigen: »Sie wissen gar nicht, wie schwer es ist, ins Archiv zu kommen.«
    Kathrin sagte nichts. Sie überlegte. Fernando machte sich so klein wie möglich. Das Panzerbataillon in seinem Selbstbewusstsein hatte mittlerweile von einem Geschwader Helikopter Unterstützung bekommen, aus denen Fallschirmjäger sprangen, die in der Luft Buchstabenformationen bildeten: »Idiot!«
    »Haben Sie sich schon einmal überlegt, wie Sie Ihre Ansprüche durchsetzen können, wenn Sie das Dokument in der Hand haben?«, fragte Kathrin.
    Napoleons Grande Armée, die Rote Armee und die gesamten NATO-Truppen hatten sich den Fallschirmjägern angeschlossen und jagten durch Fernandos Kopf

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