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Don Fernando erbt Amerika

Titel: Don Fernando erbt Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ewald Arenz
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undurchdringliches Dunkel getaucht.
    Eine Viertelstunde später ging das Licht wieder an. Auf dem Fahrrad saß Huitzilipochtli, mit den Füßen an die Pedale gekettet. Einer der Novizen rieb sich die Hände und sagte zu seinen Kollegen:
    »So! Und jetzt können wir richtig arbeiten.«
    Das taten sie.
    Nachdem sie in den nächsten hundert Jahren kleine, aber nützliche Erfindungen wie Sauerstoffgeneratoren, Propeller- und Düsenmaschinen im Modellformat, Fusionsmotoren und die Mikrowelle erfunden hatten, richtete sich einer von ihnen eines Tages von seiner Werkbank auf und fragte:
    »Sagt mal, Leute, die Woche ist doch allmählich rum, oder?«
    Weil sie aber gerade eine Videokamera entwickelt hatten und damit beschäftigt waren, Huitzilipochtli auf dem Fahrrad aufzunehmen, ihm dann die Aufnahmen vorzuspielen und sich dabei halb kaputtzulachen, kümmerte sich keiner weiter darum. Kein Mensch dachte daran, eine Uhr zu erfinden.
    Wozu?
    Sie würden es schon merken, wenn diese herrliche Woche vorbei war.
    Als sie zweihundert Jahre später herausgefunden hatten, wie das Universum entstanden war, dämmerte ihnen allmählich, dass mit Huitzilipochtlis Vorhersage irgendetwas nicht gestimmt hatte. Siewaren jetzt definitiv länger als eine Woche hier drin. Einer der Novizen kam auf die richtige Idee.
    »Hey, Hutzi«, rief er lässig, »hast du Lust, dich mal auszuruhen?«
    Huitzilipochtli, der seit dreihundert Jahren verbissen geschwiegen und getreten hatte, presste die Zähne zusammen.
    »Ja, klar«, sagte er dann, »ich habe ja erst 179 Milliarden Mal getreten. Und die erste Woche«, fügte er hämisch hinzu, »habe ich noch nicht gezählt.«
    »Oh, oh«, sagte der Novize, während Huitzilipochtli wütend weitertrat, »wenn ich zwei Umdrehungen die Sekunde rechne, was ungefähr hinkommt, dann sind wir schlappe dreihundert Jahre in dieser Höhle. Du kannst jetzt mal langsamer treten, Hutzi, wir müssen nachdenken.«
    Die Novizen steckten die Köpfe zusammen und kamen zu dem Schluss, dass der König wahrscheinlich mittlerweile abgetreten war, weshalb es keine schlechte Idee sei, mal wieder nach draußen an die frische Luft zu gehen und nachzusehen, was sich dort tat.
    Einer der Novizen hatte die sehr gute Idee, erst einmal die Videokamera auszuschicken, bevor man den Granit wegmeißelte und dann plötzlich vor der Palastgarde stand.
    Sie bohrten ein Loch für die Videokamera in den Granit. Selbst das dauerte ein paar Tage. Dann banden sie die Kamera auf das Modelldüsenflugzeug und machten einen Probeflug in der Höhle.
    Das Modellflugzeug, das sehr effektive Düsen hatte, zündete, zischte über Hutzis Kopf hinweg und bohrte sich in die Granitwand der Höhle.
    Wissenschaftler sind Wissenschaftler.
    Überall.
    Sie sind in erster Linie Theoretiker. Wenn sie nach ihren grandiosen Plänen und nach endlosen Streits darüber, ob Teil A jetzt an dem linken Kolben oder doch an der Aufhängung befestigt wird, endlich ein Gerät zusammengebaut haben, wollen sie es auf keinen Fall nocheinmal bauen. Schließlich sind sie keine Techniker. Wenn der Prototyp nicht funktioniert, wird improvisiert.
    »Zu schnell!«, sagte der älteste Novize und überlegte.
    »Wir könnten es schwerer machen«, sagte sein Freund.
    »Gute Idee.«
    Sie sahen sich um. Da war nichts Schweres, das die richtige Größe gehabt hätte.
    Das Licht flackerte, als Huitzilipochtli dem ersten Novizen etwas in die Hand drückte und dabei aus dem Takt kam.
    »Hier, bitte«, sagte er.
    »Prima, danke«, sagte der Novize überrascht, und sie banden das Gewicht mit einem Stück Elektrokabel an das Düsenflugzeug. Dann schickten sie es los.
    Leider war zu der Zeit gerade Cortés im Land und machte keinen friedliebenden Eindruck. Die Bilder, die über den Monitor der Novizen flackerten, kamen einem modernen Splattermovie ziemlich nahe. Plötzlich ließ sich das Düsenflugzeug nicht mehr steuern, weil zwischen den Novizen wilder Streit darüber ausgebrochen war, wer die Funksteuerung haben durfte. Das Flugzeug ging in den Sturzflug über. Das letzte, was die Kamera zeigte, war eine Großaufnahme von Cortés’ schreckensstarrem Gesicht, bevor das Bild schwarz wurde.
    »Was war das eigentlich für ein Gewicht?«, fragte der jüngste Novize. »Keine Ahnung«, zuckte der älteste die Schultern, »irgendwas Goldenes.«
    Huitzilipochtli hatte Mühe, ein irres Lachen zu unterdrücken. Was er den Novizen als Gewicht gegeben hatte, war die in Gold gebundene einzige Ausgabe ihrer gesamten

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