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Don Fernando erbt Amerika

Titel: Don Fernando erbt Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ewald Arenz
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Da hatte er diese Situation schon einmal, ach was, mehrfach erlebt. Und die Angst war immer noch die gleiche.
    »Kannst du das Etikett lesen?«
    »Die sind alle gleich«, antwortete Christoph nervös. »Pack sie einfach ein!«
    »Ich kann nicht mal sehen, welcher weiß und welcher rot ist«, beschwerte sich Bébé wieder lauter, weil er Lust an der Gefahr hatte und es genoss, Christoph Angst zu machen.
    »Warum machen wir das Licht nicht an?«
    »Weil«, gab Christoph nervös und scharf zurück, »Abendmahlswein meistens rot ist und wir zweitens nicht wissen, ob er da draußen nicht irgendwo rumschleicht. Das macht er immer.«
    »Ach ja«, sagte Bébé mit gespielter Fröhlichkeit, »mit einer Taschenlampe, nicht wahr? So war das doch immer, oder? Und mit Pistolen«, setzte er mit masochistischer Befriedigung hinzu, »mit scharfen Pistolen. Immer auf alles vorbereitet, so war er!«
    »Hör zu, Bébé«, sagte Christoph, »ich altere sehr schnell hier unten. Pack einfach die Flaschen in den Koffer und dann hauen wir ab, ja? Ich bin keine fünfzehn mehr.«
    »Ja ja«, sagte Bébé, und dann hörte man eine Zeit lang nur, wie Kartons aufgerissen wurden und Flaschen klirrten, als sie in einen Koffer gelegt wurden.
    Dann allerdings hörte man noch etwas.
    Eine Stimme.
    »Hallo?«, klang es fragend von außen.
    Bébé und Christoph erstarrten. Beide kannten die Stimme. Beide dachten, weil sie schon so lange Freunde waren, genau das gleiche Wort: ›Scheiße!‹
    Sie dachten es auch in der gleichen Betonung, aber das wussten sie nicht. Sie versuchten, nicht zu atmen, aber schließlich waren sie keine Langlebigen. Doch sie atmeten sehr flach. Man hörte, wie ein Schlüssel ins Schloss geschoben wurde. In diesem Augenblick kam Leben in die beiden. Jede Freundschaft war für Sekunden vergessen, als ein wilder Kampf um das Kellerfenster entbrannte, das wirklich sehr schmal und hoch war. Keiner hatte sich Gedanken gemacht, wie sie hier schnell wieder herauskämen, deshalb standen keine Kisten vor dem Fenster. Sie rutschten von der Wand ab und pressten sich panisch in die Ecke, als die Tür geöffnet wurde und das Licht anging. Blinzelnd sahen sie auf die dunkle Figur, die in der Tür stand. Die Freunde seufzten tief und ergaben sich in ihr Schicksal. Sie traten vor. Christoph hatte wieder einmal das unangenehme Gefühl eines Déjàvu. Beide schluckten. Dann sagte Christoph: »Hallo, Papa.«
    Und Bébé wünschte höflich: »Guten Abend, Herr Friedrich.«
    »Kann mir einer von euch beiden Narren erklären«, fragte der erste Pfarrer der zweitgrößten Gemeinde in Fürth, »was ihr im Kirchenkeller mit einem Koffer voller Abendmahlswein tut?«
    Die Erklärung. Das hatten sie beide verdrängt gehabt. Am Ende stand immer eine sehr schwierige Erklärung.
    »Also«, sagten sie gleichzeitig, »es ist nämlich so …«
    Die Erklärung, fand Christophs Vater, war unbefriedigend .
    Aber immerhin war sie interessant.
    Dreieinhalb Stunden später lehnte sich Erik befriedigt und satt in seinem Stuhl zurück, wischte sich den Mund an einer Serviette ab, die ebenfalls aus Kirchenbeständen stammte, und sah in die Runde, in der auch Herr Friedrich saß.
    »So. Und jetzt zum Geschäft. Erzählen Sie mir alles.«
    Er machte eine kleine Kunstpause.
    »Und alles heißt wirklich alles, ohne Ausschmückungen und ohne Weglassungen, okay?«
    Christoph trank einen Schluck Wein und sah Gilead an, der ihm ermutigend zunickte. ›Der hat gut nicken‹, dachte Christoph, der sich gegenüber dem größten Anwalt der Welt so fühlte, als sei er der größten Lügengeschichte der Welt aufgesessen, und alle, einschließlich seines Vaters, hätten sich lediglich dazu verabredet, ihn als kompletten Idioten bloßzustellen. Plötzlich kam ihm selbst die Geschichte ein bisschen dünn und ein bisschen allzu unglaubwürdig vor. Er schluckte, nahm das Dokument, das neben ihm lag und fing an:
    »Sie werden mir nicht glauben, aber es ist so …«
    Zu jedermanns Erstaunen glaubte Erik jedes Wort.
    »Ich bin sehr froh, Sie kennenzulernen«, sagte er, nachdem er die ganze Geschichte gehört hatte, und lächelte zum ersten Mal nicht sein professionelles Anwaltslächeln, sondern ein echtes Wikingerlächeln, das sich in seinem roten Bart wohlzufühlen schien.
    »Denn Sie geben mir die Gelegenheit, nach dreihundert Jahren endlich wieder unter meinem echten Namen vor Gericht zu treten.«
    Mit diesen schlichten Worten löste er bei den Langlebigen eine Sensation aus. Alles sprang

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