Don Fernando erbt Amerika
weil das hier außerdem Europa und nicht Amerika ist, wo man eine Frittenbude unter Denkmalschutz stellt, wenn sie fünf Jahre alt ist. Sie wissen gar nicht, was wir hier alles nicht wieder aufgebaut haben.«
»Schon gut«, sagte Erik, »war nur’n Witz, okay? Ich finde diese Burg ja sehr nett. Eignet sich sicher prima für Empfänge.«
»Bedingt«, antwortete Christoph grinsend, »nur bedingt.«
Erik sah zu Gilead hinüber und runzelte die Stirn.
»Habe ich Sie nicht schon mal irgendwo gesehen?«, fragte er ihn. Gilead zuckte die Schultern.
»Kaum«, antwortete er, »ich war nur einmal in Amerika. Ganz kurz. Nur ein Zwischenstopp, sozusagen.«
»Na ja«, sagte Erik, »ich bin auch kein gebürtiger Amerikaner. Ich bin … äh … Norweger.«
»Aus Norwegen kommt nicht mal anständige Musik«, sagte Bébé, der wegen Eriks Bemerkung über die Burg noch etwas eingeschnappt war.
»Das stimmt«, sagte Erik voller Überzeugung, »aber gute Anwälte.«
»Das werden wir sehen«, sagte Christoph zweifelnd.
»Das werden Sie sehen«, sagte Erik.
»Scheiße!«, sagte Leif, der sich mitten auf dem Atlantik befand und soeben dreieinhalb Stunden damit zugebracht hatte, sein Boot zweimal komplett zu durchsuchen. »Ich hab nicht nur die Gitarre vergessen, sondern auch noch die Sixpacks im Auto liegen lassen.«
Die große Konferenz sollte am frühen Abend in Christophs und Bébés Wohnung tagen. Sie hatten das Wohnzimmer leer geräumt und alle möglichen Sitzgelegenheiten um den Tisch gruppiert. Carlos war gegen fünf Uhr gekommen, gefolgt von Esteban und zwei Spaniern, die kistenweise Gemüse, Brot und Wein nach oben schleppten. In der Küche angelangt, befahl Carlos den beiden Freunden, sich vor den Fernseher zu setzen und den Madeira zu probieren, was die beiden brav befolgten (wobei Christoph allerdings einschlief, denn er war ja nun schon seit sechsunddreißig Stunden auf den Beinen). Gilead war unterwegs, um ein paar Besorgungen zu machen, und Erik sah sich die Stadt an. Christoph hatte keine Ahnung, wo Kathrin und Fernando waren, aber er träumte von ihnen und war deshalb ziemlich sauer, als er von einem Streit in der Küche aufwachte.
Carlos entsetzte Stimme war plötzlich zu hören:
»Madre de Dios! Du hast diesen Wein wo gekauft? Hab ich das richtig verstanden? Du hast den Wein bei Aldi gekauft? Alle 24 Liter? Bist du komplett irre, du blöder Kastilier?«
»Ich habe den Wein da gekauft, wo er am billigsten war«, antwortetejemand beleidigt. »Don Fernando ist fast pleite. Schließlich mussten wir für diese blöde Entführung unseren Job bei der Müllabfuhr aufgeben. Und ich hatte mein dreizehntes Monatsgehalt noch zu kriegen.«
»Hör mal, José«, sagte Carlos mit unterdrückter Wut, »du bist Spanier, richtig? Du warst ein spanischer Ritter, ja? Wie kannst du dann Wein in Kanistern kaufen? Hä?«
»Ich bin zunächst mal Schatzmeister dieser ganzen blöden Truppe, die an einem Tag mehr Wein trinkt, als die EU in einem Jahr wegschütten kann. Ich kaufe den Wein, wo ich will, klar?«
»Diesen Wein«, knirschte Carlos, »verwende ich nicht mal zum Kochen! Don Fernando hat gesagt, ich soll dem Amerikaner ein Festmahl machen; von ermorden hat niemand gesprochen.«
»Diesen Wein oder keinen!«, sagte José fest.
»Wenn von diesem Gesöff ein Tropfen meine Bratensoße berührt, José, wirst du herausfinden, wie unsterblich du ohne Kopf bist! Du bringst diese Methylalkoholkanister zurück und kaufst Wein.«
»Diesen Wein oder keinen!«, beharrte José mutig. Der Streit begann, an Lautstärke zuzunehmen, aber José blieb fest, obwohl er nur halb so groß wie Carlos war.
»¡Tu tiene la megalomania, José!«, schrie Carlos. »Bring ihn zurück!«
»¡No!«
Man hörte einen erstickten Wutschrei, als Carlos auf José losging. Dann klirrte ziemlich viel Geschirr, und aus der Küche kam eine Stichflamme, als die offene Madeiraflasche in den Gasherd fiel. José schrie schmerzerfüllt auf, als Carlos etwas Unaussprechliches mit ihm tat, was sich in einem dumpfen Knallen äußerte, und dann herrschte einen Augenblick Stille. Christoph und Bébé sahen sich besorgt an. Dann öffnete sich die Küchentür und José kam heraus. Sein Kopf steckte in einem Rotweinkanister, dessen brachial am Boden geschaffene Öffnung sehr gut an seinem Hals abschloss, sodass ihm kaum Wein aus dem noch immer gefüllten Kanister in den Kragen floss.José selbst wankte ins Wohnzimmer, sah aber durch den Rotwein und das milchige Plastik
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