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Don Fernando erbt Amerika

Titel: Don Fernando erbt Amerika Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ewald Arenz
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Gründen hieß die Yacht »Emma«. Das war aber auch das einzige, was an ihr noch entfernt norwegisch war. Leifs Yacht hatte einen Kreiselkompass, einen Autopiloten und ein Navigationsgerät, das dem Kapitän zu jeder Zeit die Position des Schiffes bis auf einen Meter genau angeben konnte.
    Das alles muss jedoch angeschaltet sein, wenn es funktionieren soll.
    Dazu braucht man einen Schalter. Und diesen Schalter muss man erst finden. Nun hatten die Konstrukteure der Yacht – schließlich waren sie Amerikaner – die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass ihr künftiger Eigner ein Rockstar und damit extrem doof sein könnteund nicht einmal in der Lage wäre, einen rot angestrichenen, großen Zentralschalter zu finden. Deshalb hatten sie sich dazu entschlossen, keinen rot angestrichenen, großen Zentralschalter in das Instrumentenpult zu bauen, sondern den Schalter direkt mit der Zündung zu koppeln. All diese netten Geräte schalteten sich automatisch ein, wenn man den Zündschlüssel herumdrehte.
    Oder besser: falls.
    Wikingerschiffe haben keinen Zündschlüssel. Sie werden einfach gesegelt.
    Und Leif hatte nicht nur die Sixpacks im Wagen liegen lassen.
    Einige Hundert Kilometer auf der geographischen Achse südlich von Leif verklang das letzte Echo eines gewaltigen Donners aus den Lautsprechern. Ein Projektor surrte. Es handelte sich dabei um einen 35mm-Projektor, der durch eine etwas eigenwillige Konstruktion, bei der Einweckgummis und Vorhangringe eine tragende Rolle spielten, dazu in der Lage war, jeden nur möglichen Moment der Vergangenheit auf die Leinwand zu projizieren.
    »Was war das denn?«, fragte eine befehlsgewohnte Stimme verblüfft aus dem Dunkel.
    »Caesars Flotte auf dem Weg, Britannien zu erobern!«, schallte es fröhlich zurück.
    Schweigen.
    Bedrohliches Schweigen.
    Dann wieder die Stimme des Hohepriesters Huitzilipochtli:
    »Wer war das?«
    Die Novizen duckten sich, obwohl die Finsternis in der Höhle derart undurchdringlich war, dass nicht einmal der Hohepriester das Geringste sehen konnte. »Ich habe dich an der Stimme erkannt, Novize«, rief der Hohepriester. »Morgen gibt es Kutteln für Huitzilipochtli.«
    Schweigen.
    Vielstimmiges Kichern.
    Einsames Zähneknirschen.
    »Mach mal einer das Licht an«, gab der Hohepriester schließlich auf. Irgendwo hörte man, wie sich jemand herumtastete, mit dem Schienbein an irgendetwas stieß und fluchte. Schließlich erklangen die typischen Geräusche, die ein Radfahrer von sich gibt, wenn er versucht, den Mont Blanc auf einem Tourenrad hochzufahren. Ein paar primitive Bogenlampen flammten auf und zeigten eine Reihe aztekischer Wissenschaftler mit weißen Kitteln über ihren Binsenröckchen, die in einer riesigen Höhle herumstanden und rätselten, was eben mit ihnen geschehen war. Worüber sie nicht zu rätseln brauchten, war der Trümmerhaufen, der früher ihr wissenschaftliches Gerät und das neue Propellerflugzeug gewesen war. Sie standen nämlich mittendrin.
    »Vielleicht sollten wir dem König Bescheid sagen«, meinte einer der Novizen schüchtern, als ihn ein hässliches Geräusch unterbrach …
    »Ach Scheiße!«, sagte Quetzal, der Novize, plötzlich gelangweilt. »Das haben wir jetzt ungefähr tausendmal gesehen. Ich find’s nicht mehr lustig.«
    Zu Huitzilipochtli gewandt, der auf dem Fahrrad den Strom für den Projektor erzeugte, sagte er:
    »Du kannst aufhören, Hutzi. Schließ die Lampe wieder an, okay?«
    Huitzilipochtli, der mittlerweile so vollkommen in sein Schicksal ergeben war, dass er sich ein Leben ohne Pedale gar nicht mehr vorstellen konnte, bückte sich im Treten und wechselte die Kabel. Der Projektor erlosch und die Lampe flackerte auf.
    »Ich gehe jetzt raus«, sagte Quetzal, »und es ist mir egal, ob ihr mitkommt. Ich hab’s satt, seit Hunderten von Jahren in einer Höhle herumzusitzen und fernzusehen oder Dinge zu erfinden, von denen nicht einmal ich weiß, wozu sie gut sind. Ich will was erleben.«
    Die anderen Novizen bewegten sich unruhig auf ihren Kinosesseln hin und her. Man lebt nicht völlig folgenlos jahrhundertelang in einerHöhle, in der es weder einen McDonald’s noch Atomkraftwerke gibt und die auch von keinem Pizzalieferdienst der Welt erreicht wird. Die Novizen hatten, wie alle großen Wissenschaftler, eine Agoraphobie entwickelt. Auf Deutsch: Sie hatten Angst, nach draußen zu gehen. 9
    »Moment noch, Quetzi«, sagte Hitlichtlo. »Uns geht’s doch gut hier. Ich meine, wozu hinaus in die weite Welt und so.

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